Hallo Zugfans 👋
Zwei Bahnprojekte der letzten Zeit haben mich beeindruckt. Eines davon gleich vor meiner Haustür: Im August 2022 wurde die Strecke nach Helsinki vom Bahnhof Turku abgeklemmt, um sie im Stadtgebiet zweigleisig auszubauen. Dafür mussten unter anderem eine neue Brücke über unseren Fluss sowie mehrere Überführungen errichtet werden. Nebenbei sollte auch der gesamte Bahnhof um 500 Meter verlegt werden, inklusive neuer Bahnsteige. Das alles in gut zwei Jahren.
Oha, ob das was wird? Ich war skeptisch.
An den Baustellen, die ich mehrmals die Woche auf meiner Spazierrunde inspizierte, schien es zunächst nur schleppend voranzugehen. Statt einer Brücke stand dort viele Monate nur ein Holzgerippe. Zwischendurch drohte sogar einmal das Geld auszugehen. Oha, oha.
Doch dann ging es plötzlich ganz schnell. Der Bahnhof (naja, ein richtiger Bahnhof ist das nicht mehr, aber das ist ein anderes Thema) wurde eröffnet, die neue Brücke enthüllt – dazu sogar noch eine weitere für den Fuß- und Radverkehr. Und tatsächlich: Seit Sonntag rollen die Züge wieder. Relevant ist das auch für den internationalen Verkehr, denn nun geht es wieder direkt zum Hafenbahnhof, wo ein bequemer Übergang zu den Fähren nach Schweden besteht.
Für mich war das eine Lektion: Projekte dieser Größenordnung können auch einfach mal klappen, und das sogar im Zeitplan. Eine Möglichkeit, die man trotz aller antrainierten Schwarzmalerei nicht schon von Anfang an ausschließen sollte.

Das bringt mich zum anderen, für den europäischen Zugverkehr und die meisten von euch deutlich wichtigeren Projekt: der Sanierung der Riedbahn, also der Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim, einer der Hauptschlagadern im deutschen Schienennetz. Erstmals wandte die DB das Konzept der Generalsanierung an. Das heißt: Statt die Strecke über Jahre hinweg im laufenden Betrieb zu ertüchtigen, wurde sie für fünf Monate komplett gesperrt.
Ein Wagnis, bei dem viel auf dem Spiel stand. Nicht zuletzt der Ruf der Deutschen Bahn, noch irgendwas hinzukriegen.
Doch es hat geklappt. Sogar etwas früher als geplant ging die Strecke am Samstagabend wieder in Betrieb. Eine riesige Kraftanstrengung sei das gewesen, heißt es unter vorgehaltener Hand, aber: Es hat geklappt.
Das Portal ingenieur.de schreibt anerkennend:
20 Bahnhöfe modernisiert, 111 Gleiskilometer erneuert, 152 Weichen ausgetauscht und 130 Kilometer Oberleitungen neu verlegt: Die Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim war ein technisches Meisterwerk.
Alle Beteiligten können zu Recht stolz auf das Geleistete sein. Doch lange ausruhen ist nicht drin, denn die Riedbahn ist erst der Anfang. Insgesamt 40 Strecken sollen bis 2030 auf diese Weise saniert werden. Mit Hamburg–Berlin steht das nächste Großprojekt vor der Tür, dazu die wichtige Güterstrecke Emmerich–Oberhausen, und es geht immer so weiter (eine vollständige Liste gibt es hier).
Nicht alles wird dabei so glattgehen wie bei der Riedbahn, deren Sanierung unter enormer Beobachtung stand und von der Bahn – durchaus selbstkritisch – in einem aufwendig produzierten Film begleitet wurde. Der Weg wird lang sein, nicht immer gerade, und mitunter schmerzhaft. Wie bei jeder langen Reise wird es Verzögerungen und Planänderungen geben. Es wird holpern und rattern. Doch gar nicht erst aufzubrechen, ist keine Alternative.
Die Sanierung der Riedbahn zeigt: Wenn alle an einem Strang ziehen, ist einiges möglich. Es war ein kleiner Schritt, aber einer, der zu einem Wendepunkt werden könnte. Es gibt viel zu gewinnen. Oder, wie Rio Reiser in einem meiner Lieblingssongs von Ton Steine Scherben singt:
Ich bin aufgewacht und hab gesehen
Woher wir kommen, wohin wir gehen
Und der lange Weg, der vor uns liegt
Führt Schritt für Schritt ins Paradies
Okay, es muss ja nicht gleich das Paradies sein, aber eine verlässliche Eisenbahn wäre schon schön.
Mein Highlight im Fahrplan 2025 ist eindeutig die neue koordinierte Zugverbindung zwischen Vilnius, Riga und Tallinn. Nun wurden die Fahrzeiten veröffentlicht – und die machen eine Reise mit dem Zug durchs Baltikum wirklich attraktiv. Mehr dazu findet ihr in der Kurzstrecke. Außerdem im Mitgliederbereich: ein besonderer Schienenmoment aus Nordskandinavien.
Damit verabschiedet sich der Newsletter für dieses Jahr. (Wenn es mir gelingt, gibt es über die Festtage noch eine weihnachtliche Zuggeschichte.)
Ich wünsche euch und euren Familien eine erholsame, schöne Zeit und einen großartigen Start ins neue Jahr!
– Sebastian

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Kurzstrecke 💬
Was gibt es Neues auf Europas Gleisen? Worüber spricht die Zugreise-Community? Das Wichtigste in der Kurzstrecke!
Fahrzeiten für Vilnius–Tallinn veröffentlicht
Die Fahrzeiten für die neue trinationale Verbindung durch das Baltikum stehen fest. Laut der estnischen Bahn Elron dauert die Fahrt in beiden Richtungen etwa 10,5 Stunden. Abfahrt in Vilnius ist um 7:05 Uhr, Ankunft in Tallinn um 17:34 Uhr. In der Gegenrichtung geht es um 10:25 Uhr los, mit Ankunft um 21:03 Uhr in Vilnius. Ermöglicht werden die attraktiven Fahrzeiten durch zwei koordinierte Umstiege in Riga und Valga mit rund 15 Minuten Übergangszeit. Praktisch: Anschluss zur Fähre nach Helsinki ist ebenfalls gewährleistet.

Rumänien und Bulgarien im Schengenraum
Historischer Schritt für den europäischen Schienenverkehr: Rumänien und Bulgarien treten dem Schengenraum bei. Ab 2025 entfallen damit die Grenzkontrollen bei Zugreisen – ein großer Vorteil für Verbindungen wie den Nachtzug „Dacia“ von Wien nach Bukarest, wo die Kontrollen bislang mitten in der Nacht stattfinden. Schon im März 2024 waren Kontrollen an Seehäfen und Flughäfen weggefallen.
Triest–Opicina: Tram vor Rückkehr
Nach acht Jahren Pause kehrt die historische Straßenbahn zwischen Triest und Opicina in Italien zurück. Die zuständige Sicherheitsbehörde hat nach abschließenden Prüfungen die Wiederinbetriebnahme genehmigt. Nach einer zehntägigen Testphase zum Jahresende soll der reguläre Betrieb aufgenommen werden. Die Strecke, eine Mischung aus Straßenbahn und Standseilbahn, verbindet die Adriaküste mit dem Karst-Plateau und ist bekannt für ihre malerischen Ausblicke.
Kostenloser Nahverkehr in Belgrad
Serbiens Hauptstadt Belgrad macht den städtischen ÖPNV ab Januar kostenlos. Hintergrund ist laut Bürgermeister Aleksandar Šapić der stark ansteigende Autoverkehr in der Stadt. Damit ist Belgrad nach Luxemburg, Tallinn und Marseille die nächste europäische Metropole, in der Fahrten mit Bussen und Bahnen kein Ticket mehr erfordern.
„Zapfhahn zu“ im DB-Speisewagen
Das Bier vom Fass hat im Speisewagen der Deutschen Bahn ausgedient: Künftig setzt die DB auf Flaschenbier, um Platz und Personalressourcen zu sparen. Frisch gezapftes Bier machte zuletzt nur noch 15 Prozent am Verkauf aus, erklärte die Bahn. Dafür wird das Angebot erweitert, geplant sind sieben verschiedene Flaschenbiere plus ein wechselndes Aktionsbier. Neu ist auch ein Pilotversuch: Auf ausgewählten ICE-Strecken schafft die Bahn testweise die Barzahlung in der Bordgastronomie ab.
Schienenmoment 🚞
Fotos, Geschichten, Augenblicke – eure schönsten Eindrücke von unterwegs.

Im hohen Norden, auf der berühmten Erzbahn zwischen Luleå in Nordschweden und Narvik in Norwegen, war im September Robert aus Leipzig unterwegs. Er schreibt:
„Wir sind sechs Tage lang von Abisko nach Narvik gewandert – mit Zelt und eigenem Essen. Auf der Rückfahrt von Narvik nach Boden, wo der Nachtzug auf uns wartete, hatten wir bestes Wetter und eine traumhafte herbstlich-frühwinterliche Aussicht!“
Vielen Dank, Robert, für diesen schönen Eindruck!
Ende der Linie 🚉
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