Zugpost April 2022

Neue Wagenkategorie beim Nightjet, Abschied in Finnland und Rückkehr eines Klassikers. Die Zugpost ist zurück, mit der Ukraine im Herzen.

Zugpost April 2022
Seit Ende März Geschichte: Der Schnellzug Allegro zwischen Helsinki und St. Petersburg. Foto: VR

Hallo Zugfans 👋

Willkommen zur sechsten regulären Zugpost – der ersten mit mehr als 1000 Abonnent:innen. Wow! Ein dickes Dankeschön für euer Interesse und das tolle Feedback, das mich in den letzten Monaten erreichte.

Nach der letzten, sehr speziellen Ausgabe zum Thema Ukraine, ist die Zugpost diesmal wieder die gewohnt bunte Tüte aus ganz Europa. Aber natürlich lässt uns der Konflikt nicht los. So tut man sich gerade in Finnland schwer im Umgang mit dem russischen Nachbarn, und das ganz besonders in Sachen Eisenbahn.

Daneben gibt es für die anstehende Sommersaison viel Erfreuliches aus der Welt der Nachtzüge zu berichten – aber leider auch ein echtes Ärgernis.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Sebastian

Neue Wagenkategorie im Nightjet

Schlafwagen, Liegewagen, Sitzwagen – seit es den ÖBB Nightjet gibt, kennen wir diese drei Komfortkategorien. Zum Fahrplanwechsel ist jetzt eine vierte Kategorie zum beliebten Nachtzug hinzugekommen: der "Liegewagen comfort“, hinsichtlich Reisekomfort und Preis angesiedelt irgendwo zwischen Schlafwagen und den alt bekannten Standard-Liegewagen.

In der Zugpost aus dem Januar war schon einmal kurz von den aus Intercity-Sitzwagen umgebauten Komfort-Liegewagen die Rede, nun hat Lennart das neue Angebot auf Herz und Nieren gecheckt. Auf welchen Strecken sind die Liegewagen comfort unterwegs? Wie sind sie ausgestattet? Und für wen lohnt sich das Mehr an Komfort überhaupt? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen findet ihr im neuesten Artikel auf Train Tracks.

Letztes Band zerschnitten: Finnische Bahn stellt Personenverker nach Russland ein

Bereits zweimal Thema in der Zugpost war der finnisch-russische Schnellzug Allegro. Einmal, als die Verbindung von Helsinki nach St. Petersburg im Dezember 2021 nach eineinhalbjähriger Corona-Pause feierlich wiederaufgenommen wurde. Und einmal, als der Zug nach Ausbruch des Ukraine-Krieges als letztes Band zwischen Russland und der EU plötzlich zum internationalen Medienphänomen wurde.

Das dritte Mal dürfte für lange Zeit das letzte Mal sein. Etwas überraschend stellte die finnische Bahn VR nämlich den Schienenverkehr nach Russland zum 27. März komplett ein. Und das nur wenige Tage, nachdem man noch über eine Erhöhung der täglichen Fahrten mit dem Allegro nachgedacht hatte.

Grund für die Wende: Die zuständige Ministerin schrieb einen Brief an die finnische Bahn VR, in dem sie die unmittelbare Einstellung forderte. Als Unternehmen im Staatsbesitz hatte die Bahn keine Alternative.

Der Allegro wurde von einem Joint Venture betrieben, dass jeweils zur Hälfte der VR und der russischen RŽD gehört. Dass die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf nicht mehr zu 50 Prozent an Russland fließen, sei Teil der Wirtschaftssanktionen, heißt es. Dass man damit EU-Bürger:innen und regimekritischen Russ:innen eine der letzten Möglichkeiten nimmt, das Land zu verlassen, schien dagegen bei der Entscheidung kaum eine Rolle gespielt zu haben.

Autos, LKWs und Busse rollen indes weiter über die Grenze. Und auch der Güterverkehr mit der Eisenbahn wurde nach nur wenigen Tagen wieder aufgenommen. Letzteres ist zwar unlängst nach öffentlichen Protesten wieder rückgängig gemacht worden, in Effekt tritt dies aber erst in einigen Monaten.

Warum das so lange dauert, haben sich auch Aktivist:innen von Extinction Rebellion Finnland und Greenpeace gefragt und am gestrigen Dienstag (12.4.) einen russischen Kohlezug nahe der finnischen Hafenstadt Hanko festgesetzt. Sie fordern den sofortigen Stopp des Imports und Transits von Kohle, Öl und Gas aus Russland. Die Protestaktion dauert zur Stunde noch an und verlief bisher friedlich.

Nachtzug Sofia–Istanbul und Kurswagen aus Bukarest kehren zurück

Erfreulichere Nachrichten erreichen uns dagegen aus Bulgarien und der Türkei. Wie bulgarische Medien berichten, ist es zwischen Bulgariens Bahnverwaltung BDJ und der türkischen TCDD zu einer Einigung bezüglich der Wiederaufnahme des Nachtzugverkehrs zwischen Sofia und Istanbul gekommen.

Der erste Istanbul-Sofia-Express soll bereits am 25. April verkehren. Abfahrt am Bahnhof Istanbul Halkalı ist um 22:00 Uhr, Ankunft in Sofia am nächsten Morgen um 9:35 Uhr. In Gegenrichtung startet der erste Zug am Hauptbahnhof von Sofia am 26. April um 18:30 Uhr und erreicht Istanbul um 7:00 Uhr. Der Zug verfügt über moderne Sitz- und Schlafwagen der türkischen Bahn.

Ebenfalls wurde bekannt, dass auch die Kurswagen ab Bukarest zurückkehren. Die Direktverbindung Bukarest–Istanbul soll am 3. Juni starten und für die Sommersaison bestehen. In der Vergangenheit handelte es sich zumeist um einen einzelnen Liegewagen, der von Zug zu Zug weitergereicht wird. Die letzte Etappe von Dimitrowgrad bis Istanbul legt er mit dem Express aus Sofia zurück.

Neben dem saisonalen Autozug Optima-Express kommt es damit wieder zu zwei interessanten Zugverbindungen in die Türkei, die in der Vergangenheit vor allem bei Interrail-Reisenden beliebt waren.

DiscoverEU geht in die nächste Runde

Im Sommer 2015 formulierten Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer eine Idee: Warum schenkt die EU nicht allen 18-Jährigen ein Interrail-Ticket zum Geburtstag? Das grenzenlose Abenteuer auf Schienen sollte aus jungen Staatsbürger:innen überzeugte Europäer:innen machen.

Aus der Idee wurde die Kampagne „Free Interrail“. Es folgte eine Petition sowie beachtliche Resonanz in den Medien und sozialen Netzwerken.

Das fast schon Unglaubliche: Die EU-Kommission realisierte Free Interrail tatsächlich, wenn auch unter etwas anderen Bedingungen. So gab es statt Interrail für alle nur einen begrenzten Pool an Tickets, um den sich Europas Jugend bewerben konnte. Der Name wurde zudem in „DiscoverEU“ geändert. Aber immerhin, 2018 machten sich knapp 30.000 Glückliche mit einem kostenlosen Interrail-Ticket auf die Reise, seitdem sind es in mehreren Auflagen 130.000 geworden.

Nach einer Corona-Pause geht DiscoverEU nun in die nächste Runde.

Noch bis zum 21. April können sich Jugendliche, die zwischen dem 1. Juli 2003 und dem 30. Juni 2004 geboren sind und in der EU leben, auf dieser Seite bewerben. Ebenfalls möglich sind Bewerbungen aus Ländern, die am Programm Erasmus+ teilnehmen (z.B. Norwegen, Türkei oder Vereinigtes Königreich).

Ausgerechnet im Juli: Starke Einschränkungen im Nightjet-Verkehr nach Italien

Hiobsbotschaft für Italienreisende: Wie die ÖBB am Montag in einer Pressemitteilung bekannt gaben, fallen die Nightjets nach Rom, Mailand und Livorno im gesamten Juli aus. Grund ist eine Totalsperrung der Strecke Tarvisio–Udine wegen Bauarbeiten, was von der italienischen Bahn offenbar sehr kurzfristig kommuniziert wurde. Umso ärgerlicher, dass die Sperrung ausgerechnet in die Hauptreisesaison fällt.

Konkret handelt es sich um folgende Nightjet-Verbindungen nach Italien, die im Zeitraum vom 1. bis 31. Juli 2022 ersatzlos ausfallen:

  • Wien–Rom–Wien (NJ 40233/40294)
  • München–Rom–München (NJ 295/294)
  • München–Mailand–München (NJ 40295/40235)
  • Wien–Livorno–Wien (NJ 1237/1234)

Der Nightjet Wien–Mailand–Wien (NJ 233/235) entfällt auf dem Abschnitt zwischen Villach und Mailand.

Für Reisende, die im Juli mit dem Nachtzug nach Italien reisen möchten, bleiben damit als einzige Alternative die Nightjets von Wien und München nach Venedig. Diese werden über Slowenien umgeleitet, was zu einer Verlängerung der Fahrzeit von etwa 3 Stunden führt. Die gemütliche Ankunftszeit am Bahnhof Venezia Santa Lucia gegen 11 Uhr dürfte Nachtzugfans allerdings kaum abschrecken.

Problematisch könnte stattdessen werden, dass die Tickets für die einzige verbleibende Nachtverbindung bald vergriffen sein dürften. Wer im Juli nach Italien möchte, sollte also schnell handeln.

Für die am Tage verkehrenden Railjet-Züge zwischen Wien und Venedig wird ein Ersatzverkehr mit Bussen von/bis Villach eingerichtet. Die Fahrzeit verlängert sich dadurch um etwa 30 Minuten.

Communities auf Twitter

Twitter hat ein neues Feature eingeführt: die Communities. In einer Community können sich User:innen zusammenschließen und über ein bestimmtes Thema diskutieren. Communities sind stärker moderiert als die gewöhnliche Timeline, dadurch verspricht Twitter sich eine angenehmeres Diskussionsklima mit weniger Abschweifungen, Pöbeleien und Hass.

An dieser Stelle sei auf zwei Communities aus der Zug-Bubble hingewiesen, in denen das Konzept bisher sehr gut aufgeht.

Nachtzugliebe

Die Community für Freund:innen des gepflegten Reisens im Schlaf- und Liegewagen durch Europa. Hier gibt es Eindrücke von unterwegs, News aus der Welt der Nachtzüge sowie Tipps und Tricks zur Buchung.

Twitter-Zugreisebüro

Hier werden komplexe Zug-Reisewünsche diskutiert. User:innen twittern die Eckdaten ihrer Reise und die Community versucht, eine möglichst attraktive und/oder preisgünstige Route zusammenzustellen. Ohne Gewähr, aber mit Herz.

Kurzstrecke

Updates, News und Fundstücke – alles, was sich sonst noch auf und neben Europas Gleisen tut, in der Kurzstrecke.

Nachtzug Paris–Hendaye kehrt im Sommer zurück

Frankreichs Nachtzugnetz wächst wieder. Wie die SNCF bekannt gab, kehrt nun auch die Verbindung ins baskische Hendaye an der spanischen Grenze zurück, wenn auch vorerst nur in der Sommersaison. Der Intercités de nuit von Paris-Austerlitz nach Hendaye wird vom 2. Juli bis 28. August verkehren. Mit an Bord sind Liegewagen der 1. und 2. Klasse sowie Sitzwagen. Tickets für einen Platz im Liegewagen gibt es bereits ab 29 Euro. [Mehr Infos auf Französisch]

Neuer Eurocity von Flensburg nach Prag

Ab 13. Juni bieten České dráhy und Deutsche Bahn einen direkten Eurocity von Flensburg über Schleswig, Rendsburg und Neumünster nach Prag an. Es handelt sich um eine Verlängerung der bestehenden EC-Linie Hamburg–Berlin–Prag. Der Zug verlässt Flensburg um 8:31 Uhr und erreicht Prag um 17:35 Uhr. In Gegenrichtung ist die Abfahrt in Prag um 10:25 Uhr und die Ankunft in Flensburg um 19:07 Uhr. Mit an Bord ist auch ein tschechischer Speisewagen. [Pressemitteilung der DB]

BahnCard 25 zum halben Preis

Schnäppchenjäger aufgepasst: Zum 30. Geburtstag der BahnCard hat die Deutsche Bahn eine Jubiläums BahnCard 25 aufgelegt. Dabei handelt es sich um eine vollwertige, ein Jahr gültige BahnCard 25 zum Aktionspreis von nur 30 Euro in der 2. Klasse (statt 56,90 Euro) und 60 Euro in der 1. Klasse (statt 60 Euro). Das Angebot gilt noch bis zum 30. April 2022. [Zum Angebot]

Kulturzug Berlin–Breslau nimmt Regelbetrieb wieder auf

Der Kulturzug zwischen Berlin und dem polnischen Breslau (Wrocław) nimmt ab dem 15. April wieder seinen regulären Betrieb auf. In den vergangenen Wochen waren die Triebwagen genutzt worden um Geflüchtete aus der Ukraine über die deutsch-polnische Grenze zu bringen. Mehr Infos zum Kulturzug gibt es bei unseren Freunden von WroclawGuide. [Zum Artikel]

Sechsmal täglich von München nach Zürich

Mit etwas Verspätung hat die schnelle Direktverbindung zwischen München und Zürich ihren Vollbetrieb aufgenommen. Seit 11. April bieten SBB und DB täglich sechs Zugpaare an, die die Strecke über Memmingen, Lindau und Bregenz in 3,5 Stunden zurücklegen. Die schnelle Verbindung mit SBB-Triebwagen des Typs ETR 610 war durch die Elektrifizierung der Allgäubahn zum Dezember 2020 möglich geworden, wurde aber zunächst nur für drei Zugpaare realisiert. [Mehr Infos und Buchung]

Westbahn startet Verbindung nach München

Und noch mehr internationale Züge für München: Am 8. April nahm die private Westbahn den Betrieb auf der Strecke München–Wien auf. Der österreichische Anbieter ist bereits seit 2011 zwischen Wien und Salzburg unterwegs und greift mit seinen modernen Doppelstockzügen des Typs KISS nun auch in den deutschen Markt ein. Insgesamt vier Mal am Tag geht es von München Hauptbahnhof über Salzburg und Linz zum Wiener Westbahnhof. Die Fahrt dauert insgesamt 3 Stunden 47 Minuten und kostet im Standardtarif 79,90 Euro. [Mehr Infos und Buchung]

Vučić winkt: Neubaustrecke Belgrad–Novi Sad eröffnet

Ende März nahm die serbische Bahn den Betrieb auf der Neubaustrecke zwischen Novi Sad und Belgrad auf. Bei der Premierenfahrt an Bord waren Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sowie sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán. Ein kurioses Video der beiden auf Twitter ist nun zum Internet-Meme geworden. Es zeigt Vučić, der euphorisch und kamerawirksam in eine nicht vorhandene Menschenmenge winkt – was Orbán sichtlich irritiert zur Kenntnis nimmt. [Zum Video]