4: Der lange Weg zum Nachtzug-Hub
Eine ernüchternde Nachtzug-Konferenz in Berlin, ein offener Brief nach Kaunas und der langsame Weg nach Turin. Die zweite Zugpost in 2022.
Hallo Zugfans 👋
Kurz bevor der große Sturm über Europa hereinbricht, flattert hier die neueste Zugpost in euer Postfach. Allen, die unterwegs sind: Kommt sicher ans Ziel!
In dieser Ausgabe geht es politisch zu. Zum einen ist da ein offener Brief, den unsere Berichterstattung auf Train Tracks über Europas Kulturhauptstädte 2022 angestoßen hat. Gemeinsam mit 14 Akteur:innen aus dem Bahnsektor fordere ich darin: Bringt den Zug zurück nach Kaunas!
Zum anderen: Eine Nachtzug-Konferenz in Berlin, die vor allem für Ernüchterung sorgte.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Sebastian
Offener Brief zu Kaunas 2022
In der letzten Zugpost sowie einem Beitrag auf Train Tracks ging es um Europas Kulturhauptstädte 2022 und wie man sie mit dem Zug erreicht. Oder eben nicht erreicht. Neben Novi Sad in der „Bahnwüste“ Serbien bereitet vor allem das litauische Kaunas Kopfzerbrechen. Seit gut zwei Jahren ist die einzige internationale Verbindung nach Białystok in Polen gekappt, Litauen und der gesamte Rest des Baltikums damit vom europäischen Personenzugverkehr abgeschnitten.
Die Reaktion auf die Berichterstattung war heftig wie eindeutig: Erstaunen, Unglauben, Empörung. Schnell war klar, dass dieser Zustand nicht akzeptabel ist – vor allem im Jahr eins nach dem von der EU ausgerufenen „Europäischen Jahr der Schiene“. Auf Initiative von Jon Worth von der Kampagne „Trains for Europe“ hat sich darum eine Gruppe von 15 Akteur:innen aus dem Bahnsektor zusammengetan. In einem offenen Brief fordern wir die sofortige Wiederaufnahme des internationalen Zugverkehrs nach Kaunas.
Der offene Brief erschien am gestrigen Donnerstag zeitgleich in mehreren Sprachen auf Trains for Europe sowie auf Deutsch bei Train Tracks. Adressiert ist er an die zuständigen EU-Kommissarinnen Adina Vălean (Verkehr) und Mariya Gabriel (Bildung und Kultur) sowie Vertreter der beteiligten Länder und Bahnen. Wer möchte, kann den Brief hier selbst unterzeichnen.
Konferenz und Studie: Berlin als Nachtzug-Hub?
Am 9. Februar lud die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz zu einer Videokonferenz zum Thema Nachtzüge. Anlass war eine Studie mit dem Titel „Berlin als europäischer Nachtzug-Hub?“, die der Senat bei der Agentur Ramboll in Auftrag gegeben hatte. Wenig überraschend lautet das Ergebnis: Ja, Berlin hat mit seiner zentralen Lage das Potenzial, ein Knoten im europäischen Nachtzugnetz zu werden.
Oder besser gesagt: wieder zu werden.
Die Studie schlägt vor, unter anderem Verbindungen ins Baltikum sowie nach Zagreb, Belgrad, Lyon, Mailand, Rom, Oslo und Stockholm zu schaffen. Senatorin Bettina Jarasch, die sich bei der Konferenz vertreten ließ, sagte später: „Wenn Berlin zum europäischen Zentrum und Drehkreuz für Nachtzüge würde, wäre das nicht nur ein Schritt, sondern es wäre ein großer Sprung Richtung Klimaschutz.“
Unklar jedoch blieb, wer diese Linien betreiben soll, geschweige denn finanzieren. Verwiesen wurde lediglich auf große Infrastrukturprojekte wie die Rail Baltica, die Feste Fehmarnbeltquerung oder den Brennerbasistunnel, welche die Einrichtung neuer Verbindungen künftig erleichtern sollen.
Aus der Praxis berichteten Kurt Bauer von den ÖBB und Elmar van Buuren von European Sleeper. Der eine ist mit dem Nightjet für Europas derzeit größtes Nachtzugnetz zuständig, der andere möchte mit seinem Start-Up ab Sommer eine Verbindung von Brüssel über Berlin nach Prag betreiben. So unterschiedlich die Größe ihrer Unternehmungen, so ähnlich die Hemmnisse, von denen sie berichteten. Neben hohen Trassenpreisen und fehlenden Schlafwagen seien es vor allem bürokratische Hürden, die ihnen das Leben schwer machen.
Den Finger in die Wunde legte einmal mehr auch Jon Worth, der ebenfalls als Sprecher geladen war. Für ihn ist Berlin in einer denkbar schlechten Lage: „Weder die Deutsche Bahn noch der deutsche Staat haben die Absicht oder einen konkreten Plan, Nachtzüge zu unterstützen.“ Für ihn ist klar: Ohne massiven politischen Support aus Deutschland wird es nichts mit dem Berliner Nachtzug-Hub.
So bleibt am Ende vor allem: Ernüchterung. Und die Erkenntnis, dass es für den großen Wurf in Sachen Nachtzug mehr braucht, als einige zehntausend Euro für eine Studie und ein paar bunte Linien auf der Europakarte.
Von Paris nach Turin, aber langsam
Das Gute am Zugreisen ist ja, dass es oft mehr als eine Möglichkeit gibt, um von A nach B zu gelangen. So ist es auch mit einer Reise von Paris nach Turin in Norditalien. Beide Städte sind durch direkte TGV-Züge in etwa sechs Stunden miteinander verbunden, seit dem Fahrplanwechsel schickt die italienische Trenitalia außerdem einen Frecciarossa auf die Strecke.
Schnell, effizient, aber auch: ein bisschen langweilig.
Das jedenfalls dachte sich Noam und überlegte, wie man stattdessen auf verschlungenen Pfaden von der Stadt der Liebe in die Hauptstadt des Piemont reisen könnte. Seine Lösung: Zunächst ganz gemütlich mit dem Nachtzug nach Briançon, Frankreichs höchstgelegener Stadt. Nach einem Frühstück dann in einer kurzen wie spektakulären Busfahrt über den Alpenkamm ins italienische Oulx, wo schließlich der Regionalzug nach Turin wartet.
Ob das geklappt hat und ob sich die Route lohnt, erfahrt ihr in Noams winterlichem Reisebericht auf Train Tracks.
Kurzstrecke
Updates, News und Fundstücke – alles, was sich sonst noch so auf und neben Europas Gleisen tut, in der Kurzstrecke.
Sturm: Nightjets fallen teilweise aus
Europa steht ein stürmisches Wochenende bevor, und das hat Auswirkungen auf den Bahnverkehr. So stellen die ÖBB heute (18.2.) ihre Nachtzüge von/nach/über Deutschland teilweise ein. Aktuelle Infos gibt es auf Twitter oder in der ÖBB Fahrplanauskunft.
Gesucht: Name und Logo für Serbiens neue Züge
Auf Serbiens Nord-Süd-Achse entsteht derzeit mit chinesischer Hilfe eine völlig neue Bahnstrecke, die sogar Hochgeschwindigkeitsverkehr erlaubt. Dazu schafft Serbien neue Züge an, die bislang noch keinen Namen und kein Logo haben. Die serbische Bahn veranstaltet darum einen Wettbewerb für kreative Zugfreund:innen. Vorschläge für Namen und Logo können bis zum 21. Februar eingereicht werden, zu gewinnen gibt es umgerechnet etwa 8.000 Euro.
Dänemark: Bahnfahren zum Schnäppchenpreis
Kurzfristig nach Dänemark? Noch bis zum 28. Februar verkauft die dänische DSB 200.000 besonders günstige „Orange“-Spartickets für maximal 99 dänische Kronen, umgerechnet gut 13 Euro. Zu diesem Preis lässt sich zum Beispiel von Flensburg nach Kopenhagen reisen.
Probleme im Nightjet Zürich–Amsterdam
Auf der neuen Nightjet-Linie zwischen Zürich und Amsterdam kommt es zur Zeit immer wieder zu Ausfällen des Schlafwagens. Selbst prominente Bahnreisende wie Mark Smith alias „The Man in Seat 61“ blieben davon nicht verschont. Nun berichten auch Schweizer Medien wie das St. Galler Tagblatt und die Luzerner Zeitung über die Probleme (hinter Bezahlschranke). Die SBB verspricht Besserung, heißt es.
Nachtzüge ab Luxemburg?
Frankreich plant sein Nachtzugnetz massiv auszubauen, profitieren könnte davon auch das benachbarte Luxemburg. Im Großherzogtum träumt man unter anderem von einem Nachtzug nach Barcelona, den die SNCF unter Beteiligung der luxemburgischen CFL betreiben könnte. „Ein machbares und interessantes Projekt“, so Luxemburgs Verkehrsminister François Bausch.
Neue Fähre zwischen Schweden und Finnland
Am 1. März nimmt Vikingline zwischen Stockholm und Turku ihr neuestes Fahrzeug in Betrieb, die Viking Glory. Gebaut wurde die Fähre in Xiamen, China und gilt als eines der klimafreundlichsten Passagierschiffe der Welt. Die Viking Glory war über den Jahreswechsel von China nach Finnland überführt worden und ersetzt die 1988 in Dienst gestellte Amorella. Die Amorella soll künftig auf der Linie Stockholm–Helsinki eingesetzt werden.
Fundstück: Spiegel TV fährt CityNightLine
Wenn es um den Ausbau des Nachtzugnetzes geht, wird oft auf die CityNightLine verwiesen. Nach Jahren des Niedergangs stellte die CNL im Dezember 2016 endgültig ihren Betrieb ein. Wie es zu Hochzeiten an Bord zuging, zeigt eine gewohnt launige Reportage von Spiegel TV mit dem Titel „Schlaflos nach Paris: Unterwegs mit dem Nachtzug 242“, welche nun auf YouTube aufgetaucht ist.
Stiftung Warentest über Nachtzüge
Die Zeitschrift „test“ der Stiftung Warentest berichtet in ihrer Februar-Ausgabe über Nachtzüge. Neben Tipps und Tricks gibt es auch einen Nachtzug-Finder für Startbahnhöfe in Deutschland. Bei den Recherchen zum Artikel stand ich Stiftung Warentest mit Rat und Tat zur Seite.
Interview bei „Future Moves“
Und noch mehr Medienpräsenz: Auf dem Portal „Future Moves“ durfte ich meine Gedanken zur Verkehrswende teilen und – natürlich – auch eine gute Portion Nachtzugliebe verbreiten.