Mit dem Zug um einen Vulkan fahren? Kein schlummernder, sondern einer, der regelmäßig Feuer spuckt? Dieses Abenteuer könnt ihr auf Sizilien erleben! Die Rede ist natürlich vom Ätna, dem mit knapp 3.400 Metern höchsten aktiven Vulkan Europas. Um ihn herum verläuft mit der Ferrovia Circumetnea die letzte verbliebene Schmalspurbahn Siziliens. Aus den Triebwagen, die sich die Vulkanhänge entlangwinden, lässt sich das Naturspektakel Ätna aus allen Winkeln betrachten – und gleichzeitig eine große Portion Bahnromantik genießen.

Seit meinem Besuch bei der Ätnabahn im November 2022 haben sich zwei Dinge geändert: Erstens wurde ein Teil der Strecke stillgelegt, so dass sich der Ätna nun nicht mehr komplett mit dem Zug umrunden lässt. Und zweitens verkehren bei der Ferrovia Circumetnea inzwischen vor allem Neufahrzeuge, die nicht mehr ganz so urig sind und bei denen sich die Fenster nicht mehr öffnen lassen.

Trotz dieser Abstriche bleibt eine Fahrt mit der Ätnabahn ein großes Bahnvergnügen, das sich ideal mit einer Reise im Nachtzug nach Sizilien verbinden lässt. Deshalb möchte ich euch in dieser Zugpost mehr über die Ätnabahn erzählen. Gleichzeitig ist dies der Startschuss für die neue Reihe Streckenkunde, in der ich euch künftig immer wieder besondere Bahnstrecken vorstellen werde.

Die Ferrovia Circumetnea

Der italienische Name der Ätnabahn – Ferrovia Circumetnea oder kurz: Circumetnea – bedeutet etwa „Eisenbahn um den Ätna“. Das trifft es gut, denn die Strecke führt fast kreisförmig um den riesigen Vulkankegel herum. Die Ätnabahn ist eine Schmalspurbahn, ausgeführt in der in Italien üblichen Spurweite von 950 Millimetern, der italienischen Meterspur. Sie ist die letzte noch in Betrieb befindliche Strecke des einst ausgedehnten Schmalspurnetzes auf Sizilien.

Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch kein vollständiger Kreis, den die Bahn um den Ätna beschreibt, sondern ein nach Südosten geöffnetes „C“ mit den Endpunkten Catania im Süden und Riposto im Norden. Zwischen den Bahnhöfen Catania Centrale und Giarre-Riposto verkehrt die italienische Staatsbahn auf Normalspur, so dass sich, zumindest theoretisch, der Ätna komplett auf Schienen umrunden lässt – wäre da nicht die kürzlich erfolgte Betriebseinstellung zwischen Catania und Paternò. Aber dazu später mehr.

Karte mit dem Streckenverlauf der Ferrovia Circumetnea

Auf der Ätnabahn kommen teilweise noch alte Dieseltriebwagen – Spitzname Littorina – zum Einsatz, die den Charme vergangener Zeiten versprühen. Eine Museumsbahn ist die Ferrovia Circumetnea deswegen jedoch keineswegs. Sie stellt eine wichtige Lebensader für die Gemeinden am Fuße des Ätna dar, was sich vor allem unter der Woche zeigt, wenn Schulkinder die Triebwagen stürmen.

Ein Brite baut die Ätnabahn

Die Pläne, eine Eisenbahn um den Ätna zu bauen, reichen bis ins Jahr 1880 zurück. Um sie zu verwirklichen, war die Hilfe eines Briten erforderlich: Robert Trewhella, ein Eisenbahnbauer aus Cornwall, wurde von der italienischen Regierung beauftragt, an verschiedenen Bauprojekten im Land zu arbeiten. Er versprach, die Bahn um den Ätna zu errichten, und erhielt im Gegenzug die Nutzungsrechte. Nach nur fünf Jahren Bauzeit wurde 1895 der erste Teil der Ätnabahn eröffnet, die vollständige Inbetriebnahme erfolgte 1898.

Südlicher Ausgangspunkt der Ätnabahn ist Catania, die nach Palermo zweitgrößte Stadt der autonomen Region Sizilien. Ursprünglich startete die Strecke am Hafen und führte durch das Stadtzentrum bis zum Bahnhof Catania Borgo. Von dort aus dreht die Bahn im Uhrzeigersinn ihre Schleife um den Ätna und trifft in Riposto wieder auf die normalspurige Hauptstrecke von Messina nach Syrakus.

Bahnhofsschild Catania Borgo
Catania Borgo, bis Juni 2024 Startpunkt der Ätnabahn

In den 1990er Jahren wurde der Streckenteil vom Hafen Catania stillgelegt und der Abschnitt zwischen Catania Centrale und Borgo auf Normalspur umgebaut und in die U-Bahn von Catania integriert. Seitdem ist Catania Borgo der südliche Endpunkt der Ätnabahn, deren Gesamtlänge 111 Kilometer beträgt. Seit Juni 2024 werden davon allerdings nur noch 90 Kilometer bedient, da der Betrieb zwischen Catania Borgo und Paternò wegen langfristiger Bauarbeiten eingestellt ist. In Zukunft soll die U-Bahn bis nach Paternò fahren.

Obwohl die Strecke um einen der aktivsten Vulkane der Welt führt, blieb sie von größeren Zerstörungen durch Ausbrüche und Erdbeben weitgehend verschont. Die Lavaströme führten über die Jahrzehnte lediglich zu kleineren Anpassungen der Streckenführung. Erst die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg verursachten massive Schäden an der Strecke und am Rollmaterial, was die Ferrovia Circumetnea in finanzielle Schwierigkeiten brachte. In der Nachkriegszeit ging die Bahn daher in staatlichen Besitz über.

Erdgeschichte zum Anfassen

Vergessen wir für einen Moment die vulkanische Aktivität, ist der Ätna vor allem ein enormes Bergmassiv, das sich fast dreieinhalb Tausend Meter über dem Mittelmeer auftürmt. Im Winter sind die Hänge trotz der südlichen Lage oft schneebedeckt, und sogar Skisport ist möglich. Auch wenn die Ätnabahn den Gipfel nicht annähernd erreicht, schraubt sie sich zwischen den beiden Endpunkten am Meer auf beachtliche 982 Meter in Höhe. Dafür sind zahlreiche Tunnel, Viadukte und enge Kurven nötig, was die Ätnabahn zu einer waschechten Bergstrecke macht.

Aussicht auf eine Berglandschaft
Die Ätnabahn weiß auch als Bergstrecke zu überzeugen

Einzigartig macht die Fahrt aber natürlich der rauchende Gigant, der immer wieder vor dem Fenster auftaucht. Selten habe ich Bahnstrecken erlebt, auf denen sich die Macht der Natur so eindrucksvoll erfahren lässt. Hinter jeder Kurve, hinter jedem Tunnel kann eine völlig neue Landschaft warten. Wo eben noch sattes Grün und Pistazienhaine waren, findet man sich plötzlich in einer kargen Mondlandschaft wieder – je nachdem, welchen Weg sich die Lava gebahnt hat.

Das ist Erdgeschichte zum Anfassen, und zwar wortwörtlich: Manchmal ragt das Vulkangestein so nah an den Triebwagen heran, dass man um den Lack fürchten muss. Besonders eindrucksvoll ist das in den älteren Triebwagen, wo man die Fahrt am offenen Fenster genießen kann und gelegentlich einen leichten Schwefelduft in der Nase hat. Hautnah lässt sich so erfahren, wie ein Vulkan die Landschaft formt und wie die Menschen vor Ort damit leben.

Vulkangestein vor dem geöffneten Zugfenster
Vulkangestein gibt es auf der Ätnabahn (fast) zum Anfassen
Der Gipfel des Ätna
Rauchend taucht der Ätna immer wieder vor dem Fenster auf

Bahnromantik pur

Die Ätnabahn führt nicht nur durch einzigartige Natur, sondern hat auch für Bahnromantiker einiges zu bieten. Auch wenn die Triebwagen aus den 1970er Jahren im Regelverkehr seit diesem Sommer kaum noch zum Einsatz kommen, lassen verschlafene Stazioni mit südländischem Flair und historischer Bahntechnik das Herz höher schlagen.

Ein echter Sehnsuchtsort ist Randazzo am Nordhang des Ätna. Betrieblich werden hier alle Züge gebrochen, ihr müsst also ohnehin aussteigen. Am kleinen Bahnhof scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In der Bar kann man bei einem (hervorragenden!) Espresso dabei zusehen, wie Eisenbahner mit sizilianischer Gelassenheit ihrer Arbeit nachgehen. Auch ein kleiner Bummel durch das Städtchen, in dem Griechen, Römer und Byzantiner ihre Spuren hinterließen, lohnt sich.

Triebwagen der FCE am Bahnsteig in Randazzo
Eisenbahnromantik am Bahnhof Randazzo

Randazzo und die anderen Orte auf der Nordseite des Ätna sind zudem ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen. Es gibt drei Naturparks in der Ätna-Region, die sich für längere Touren anbieten. Wer mag, kann aber auch einfach an einem der vielen kleinen Unterwegshalte aussteigen und auf eigene Faust ein Stück zum nächsten Bahnhof wandern.

Aktueller Betrieb

Betrieben wird die Ätnabahn von einer regionalen Bahngesellschaft, die so heißt, wie die Strecke selbst: Ferrovia Circumetnea, kurz FCE. Neben der Schmalspurbahn um den Ätna betreibt die FCE auch die Metro in Catania. Zugverkehr auf der Ätnabahn findet derzeit nur von Montag bis Samstag statt; sonntags verkehren keine Züge. Durchgehende Fahrten auf der Gesamtstrecke gibt es nicht, eine komplette Befahrung erfordert mindestens einen Umstieg in Randazzo.

Der größte Wermutstropfen: Seit dem 1. Juni 2024 ist der Betrieb auf dem Abschnitt zwischen Catania Borgo und Paternò eingestellt. In den nächsten zehn Jahren soll das 20 Kilometer lange Teilstück neu trassiert, auf Normalspur umgespurt und in die Metro von Catania eingegliedert werden. Bis dahin verkehrt auf diesem Abschnitt ein Bus.

Verschiedene Triebwagen abgestellt am Bahnhof Catania Borgo
Triebzüge der Ferrovia Circumetnea in Catania Borgo

Die Fahrpläne der Ätnabahn sind recht übersichtlich. Zwischen Paternò und Randazzo gibt es derzeit vier durchgehende Zugpaare am Tag, im nördlichen Abschnitt zwischen Randazzo und Riposto sind es drei. Pro Richtung bestehen täglich zwei Umsteigeverbindungen, die eine Befahrung der gesamten Strecke ermöglichen. Die Umstiege in Randazzo sind in der Regel großzügig bemessen, so dass genügend Zeit für einen Espresso an der Bahnhofsbar bleibt.

Neben den alten Triebwagen von Fiat verfügt die FCE auch über vier klimatisierte Neufahrzeuge des polnischen Herstellers Newag. Diese wurden 2015 geliefert und tragen den Namen „Vulcano“. Seit der Einstellung des Zugverkehrs im Abschnitt Catania–Paternò, dem am stärksten befahrenen Teil der Strecke, wird der Betrieb auf der Ätnabahn vorwiegend mit den modernen Vulcano-Triebwagen durchgeführt.

Fazit

Auch wenn sich der Ätna nun nicht mehr vollständig im Zug umrunden lässt und die Zeit der alten Triebwagen wohl vorbei ist: Die Ätnabahn bleibt ein einmaliges Erlebnis, das Natur und Eisenbahnromantik wunderbar verbindet. Solltet ihr einmal auf Sizilien sein, lasst euch dieses Bahnabenteuer auf keinen Fall entgehen!


Praktische Tipps

Anreise

Die Ätnabahn lässt sich hervorragend mit einem weiteren großen Bahnabenteuer kombinieren – dem Nachtzug nach Sizilien. Die Nachtzüge von Mailand und Rom nach Syrakus halten in Giarre-Riposto und Catania Centrale, so dass ihr dort direkt auf die Ferrovia Circumetnea bzw. den Zubringerbus umsteigen könnt. Mein Tipp: Quartier in Taormina oder dem antiken Syrakus beziehen und von dort aus einen Tagesausflug zur Ätnabahn unternehmen.

Die Busse nach Paternò starten von der U-Bahn-Station Nesima, direkt neben dem Bahnhof Catania Borgo. Die Busfahrt dauert 35 Minuten und ist an die Abfahrtszeiten der Ätnabahn angepasst. Wenn ihr in Riposto auf einen Zug der Trenitalia umsteigen wollt, steigt am Bahnhof Giarre aus, eine Station vor der Endstation der Ätnabahn.

Nachtzug nach Sizilien: Ein Zug sticht in See
Der Nachtzug von Mailand nach Sizilien ist eine von Europas legendären Zugreisen, eine Überfahrt mit der Fähre inklusive. Die Zugpost geht an Bord.

Tickets und Fahrpläne

Mit nur 6,80 € für die Gesamtstrecke von Catania nach Riposto ist die Fahrt auf der Ätnabahn äußerst preiswert. Für 13 € gibt es eine Tageskarte, die beliebiges Aus- und Umsteigen ermöglicht. Tickets sind an allen größeren Bahnhöfen erhältlich, darunter Catania Borgo, Paternò, Randazzo und Riposto. Interrail ist in den Zügen der Ferrovia Circumetnea nicht gültig.

Die aktuellen Fahrpläne und weitere Infos zur Ätnabahn findet ihr auf der Website der Ferrovia Circumetnea unter circumetnea.it.

Aussteigen

Um die Region um den Ätna näher kennenzulernen, lohnt es sich, unterwegs Zwischenstopps einzulegen. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, ist auf der Nordseite des Ätna besser aufgehoben. Hier lassen sich auch schöne Wanderungen auf eigene Faust unternehmen. Am Gipfel selbst geht es dagegen recht touristisch zu. Besteigungen sind nur mit Bergführern empfohlen.

Rund um den Ätna befinden sich die drei Regionalparks Parco dell’Etna, Parco dei Nebrodi und Parco Fluviale dell'Alcantara. Mehr Informationen zur Natur und den Wandermöglichkeiten in den Parks gibt es im Besucherzentrum in Randazzo.