Hallo Zugfans 👋
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Erst recht, wenn er dabei alle Binnengrenzen der EU mit dem Zug überquert hat. Oder, wo es keine Verbindung mehr gibt, mit dem Fahrrad.
Dieser Herausforderung gestellt hat sich unser lieber Freund Jon Worth aus Berlin. In seinem Projekt #CrossBorderRail war er sieben Wochen kreuz und quer durch Europa unterwegs. Was er dabei über Bahnen, Grenzen und das Reisen gelernt hat, berichtet er im Gespräch mit der Zugpost.
Außerdem blicken wir noch einmal auf das 9-Euro-Ticket bzw. den Streit um seinen Nachfolger. Und Lennart verrät euch, wo es die günstigsten Fahrkarten für den neuen Nachtzug von Hamburg nach Stockholm gibt – am 1. September gehts los!
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Sebastian
#CrossBorderRail: (K)ein grenzenloses Europa
Was ist leichter: in 40 Tagen um die Welt zu reisen oder in 40 Tagen mit dem Zug durch Europa – und dabei alle Binnengrenzen der EU zu überqueren?
Wenn ihr in den letzten Wochen das Projekt #CrossBorderRail von Jon Worth verfolgt habt, könntet ihr ins Grübeln gekommen sein. Denn an so gut wie jedem Tag auf Jons Reise zeigt sich: Wann immer ein Zug eine Grenze erreicht, wird es kompliziert. Eine andere Spurweite. Ein anderes Stromsystem. Andere Signale. Eine andere Sprache, die das Zugteam meistern muss. Die Liste an technischen und bürokratischen Herausforderungen ist lang.
Was aber schwerer wiegt: Der politische Unwille, etwas daran zu verbessern. Und das zumeist auf beiden Seiten der Grenze. Immer wieder beobachtet Jon das selbe Spiel: Statt Zügen pendelt der Schwarze Peter zwischen den Ländern hin und her. Niemand will verantwortlich sein oder den ersten Schritt machen.
Als Jon am 1. August wieder in Berlin einrollt, liegen sieben anstrengende Wochen hinter ihm. Oder 145 Züge, einige Busse und gut zwei Dutzend Etappen mit dem Fahrrad (mehr zur Reiseroute findet ihr hier). Denn wo immer es keinen öffentlichen Verkehr über eine Grenze gibt – und das kommt öfter vor, als einem Fan eines grenzenlosen Europa lieb sein kann – schwingt sich Jon auf sein rotes Klapprad. Über seine Erlebnisse hat er getwittert, gebloggt und unterwegs auf diversen Events mit Bahnexpert:innen diskutiert.
Sein Ansatz dabei: Er will die Probleme dokumentieren, aber auch Lösungen aufzeigen. An jedem Tag seiner Reise schickt er – ganz klassisch – eine Postkarte an die zuständige EU-Kommissarin Adina Vălean.
Für die Zugpost hat Jon nach seiner Rückkehr ein paar Fragen beantwortet. Seine Antworten lest ihr hier:
Fangen wir mit dem Positiven an: Was waren deine persönlichen Top 3 Grenzübergänge?
- Kopenhagen 🇩🇰 – Malmö 🇸🇪
Eine Grenzübergang im S-Bahn-Takt. Selbst wenn dich – wie bei mir – die SJ im Stich lässt, der Öresundståg verkehrt so regelmäßig, dass er dich rettet! - Miskolc 🇭🇺 – Košice 🇸🇰
Diese Grenze wird oft übersehen, dabei gibt es täglich 7 IC-Züge in beide Richtungen. Wirklich nicht schlecht für Ungarn und die Slowakei! - Haparanda 🇸🇪 – Tornio 🇫🇮
Noch fahren hier keine Züge, aber die Brücke und die Lage sind an einem sonnigen Tag einfach magisch.
Okay, nun zu den Problemfällen: Wo gibt es am meisten zu tun im grenzüberschreitenden Verkehr?
- Calafat 🇷🇴 – Vidin 🇧🇬
Was für ein Fiasko! Die Brücke ist tadellos, aber nur ein Zug am Tag passiert sie. Und die Infrastruktur auf rumänischer Seite ist furchtbar. - Ormenio 🇧🇬 – Svilengrad 🇬🇷
Die Strecke ist – für griechische Verhältnisse – in ziemlich guten Zustand. Aber seit Ewigkeiten passieren weder Personen- noch Güterzüge die Grenze. - Hamont 🇧🇪 – Weert 🇳🇱
Es wäre so leicht, den Personenverkehr zu reaktivieren und eine gute Verbindung von Antwerpen nach Eindhoven zu schaffen. Aber die Niederländer weigern sich, so gibt es leider keinen Fortschritt.
Kommen wir zu den Lehren, die wir aus deiner Reise ziehen können. Wenn du in verantwortlicher Position bei der EU wärst, was wäre die eine Sache, die du als erstes verändern würdest?
Die Fahrplan-Koordination! Es ist nicht einmal schwer: Stellt sicher, dass Fahrpläne aufeinander abgestimmt sind – und Züge sich nicht um Minuten verpassen, so dass man 3 Stunden warten muss wie in Valga/Valka zwischen Estland und Lettland. Außerdem: Züge sollten stets auch die erste Station nach der Grenze bedienen und nicht wenige Kilometer davor enden – wie z. B. alle französischen TER in Modane und die italienischen Regionalzüge in Bardonecchia. Das sollte einfach zu beheben sein.
Und zum Schluss: Was hast du abseits der Politik über das Bahnfahren in Europa gelernt?
Ich habe unglaublich viel über das Design von Zügen gelernt und was einen guten Zug ausmacht. Ich habe einige exzellente Designs angetroffen (Alstom-Triebzüge von Norrtåg in Schweden, Voralpen-Express von Stadler in der Schweiz) und einige schreckliche (Alstom Coradia für DB Regio rund um München). Und weil ich stets ein Fahrrad getragen habe und dadurch langsam war: wie unterschiedlich die Zugänglichkeit von Bahnhöfen ist.
Auch sehe ich digitale Information nun in einem anderen Licht. Aus Deutschland und seinen Nachbarn bin ich es gewohnt, dass gerade die Echtzeitdaten von Zügen sehr gut sind. Aber geht nach Portugal oder Rumänien und ihr werdet als Fahrgast keine Ahnung haben, was los ist. Und wenn etwas schief geht, heißt es Schlange stehen und die Zeit des Personals verschwenden. Mir ist nun klar, was für einen unglaublichen Effizienzgewinn die Digitalisierung bedeuten kann.
Lieber Jon, vielen Dank für deine Antworten und dein Engagement. Weiterhin gute Fahrt auf Europas Gleisen!
Übrigens: Auch wenn der offizielle Teil von #CrossBorderRail vorbei ist, gibt es noch einige Bonus-Reisetage. Diese führen Jon unter anderem in die Grenzregion zwischen Deutschland, Polen und Tschechien.
9-Euro-Ticket: Nachfolger dringend gesucht
Noch gut zwei Wochen, dann ist Deutschlands bislang wohl größtes Mobilitätsexperiment Geschichte. Vorerst jedenfalls. Denn die Diskussion um einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket ist in vollem Gange.
Überhaupt ist es interessant, welche Wendungen die öffentliche Debatte innerhalb kürzester Zeit nahm. Aus anfänglicher Skepsis – nicht zuletzt befeuert von einigen Medien, Stichwort Chaos und Verderben – wurde schnell ein „Huch, das funktioniert ja.“ Und nun, kurz vor Schluss, wollen die meisten das 9-Euro-Ticket gar nicht wieder hergeben. Es ist nicht nur der Preis ist es, der das Ticket so attraktiv macht, es ist auch die große Unbeschwertheit, die viele in die Züge lockt. Einfach einsteigen und losfahren, ohne Zugbindung und Tarifgrenzen.
Auch wenn es in den letzten Wochen hier und da mal klemmt und mancher Zug wegen Überfüllung geräumt werden muss – die große Mehrheit ist mit dem Ticket zufrieden, das zeigen Umfragen, zum Beispiel hier und hier.
Wie also könnte es weitergehen? Mit einem konkreten Vorschlag für ein dauerhaftes Billig-Ticket für Bahn und Bus meldeten sich die Grünen. Die Idee: Neben einem deutschlandweiten Ticket für monatlich 49 € soll es für 29 € auch günstige Regionaltickets geben. Dazu soll Deutschland in acht Tarifgebiete aufgeteilt werden, die sich grob an den (Flächen-)Bundesländern orientieren. An den Rändern überlappen sich die Zonen, so dass sich auch ins Nachbarland pendeln lässt. Das klingt vernünftig und bildet reale Verkehrsbedürfnisse ab. Es pendeln eben doch mehr Menschen zwischen Mainz und Wiesbaden als von Oberstdorf nach Sylt.
Finanziert werden soll das durch eine Abschaffung des Dienstwagen-Privilegs. Für den Koalitionspartner FDP ist das – Überraschung – ein No-Go, und so drückt man in Sachen 9-Euro-Ticket lieber auf die Bremse. Dass jeder einfach so reisen kann? So war das mit der Freiheit wohl doch nicht gemeint. Unbezahlbar, ja unfair sei ein dauerhaft günstiges Mobilitätsangebot, sagt Christian Lindner, und poltert über vermeintliche „Gratismentalität“. Zugegeben: Dass die FPD-Klientel Dienstwagen gegen Straßenbahn eintauscht, scheint schwer vorstellbar.
Ein Streit ist indes auch über die Kostenteilung zwischen Bund und Ländern entbrannt. Die SPD-Bundestagsfraktion pocht auf eine Beteiligung der Länder an den Kosten. Es müsse klar sein, dass nicht allein der Bund die Finanzierung übernehmen könne, sagte Fraktionsvize Detlef Müller der dpa. Während Bayern sich vehement dagegen stemmt, signalisieren andere Länder wie Nordrhein-Westfalen Bereitschaft, sich an den Kosten zu beteiligen. Klar ist: Der Herbst dürfte heiß werden, Ausgang offen.
Während in Deutschland gestritten wird, nehmen sich andere Länder ein Beispiel am 9-Euro-Ticket. So macht Spanien ab September die Nutzung von Nahverkehrszügen kostenlos, zumindest für Inhaber:innen von Mehrfahrkarten. Der Gratis-ÖPNV gilt zunächst bis Ende des Jahres. Und auch in Irland gibt es Ansätze, den öffentlichen Verkehr günstiger zu machen. Hier wurden die Fahrpreise im Frühjahr um 20 % reduziert, für Jugendliche bis 23 Jahre sogar um die Hälfte.
Lennarts Fahrkarten: Im Schlaf nach Stockholm
Von Lennart Fahnenmüller
Am 1. September geht es endlich los: Ein neuer Nachtzug mit Schlaf- und Liegewagen verbindet täglich Hamburg mit Stockholm! Der Zug ist eine Kooperation der schwedischen SJ und der deutschen RDC. Er startet seine Fahrt um kurz vor 22 Uhr am Bahnhof Hamburg-Altona und erreicht Stockholm nach etwa 12 Stunden. In der Gegenrichtung sind es 13 Stunden Fahrt von ca. 17:30 bis 6:30 Uhr. Mehr zum neuen Nachtzug nach Stockholm lest ihr hier.
Für den Zug gibt es verschiedene Vertriebskanäle. Online sind die Tickets zum Beispiel bei den österreichischen ÖBB oder der schwedischen SJ zu bekommen. Ebenfalls buchbar sind Fahrkarten über bahn.de, wobei eine Umleitung auf international-bahn.de erfolgt und bei Anschlussreisen aus Deutschland zwei Fahrkarten ausgestellt werden. Und auch in den Reisezentren und Agenturen der DB sind die Tickets erhältlich. Ihr seht: Viele Wege führen nach Stockholm.
Dafür sind die Preise sagenhaft günstig: Sparpreis ab 29,90 €, zum Recherchezeitpunkt im August haben wir selbst für die Herbstferien oder zum langen Wochenende rund um den 3. Oktober nie Preise über 55 € für die einfache Fahrt gefunden. Die Zuschläge für Liegewagen sind augenscheinlich dynamisch – am 3. Oktober ginge es für 54,90 € im Sitzwagen von Stockholm nach Hamburg und für 59,90 € im Liegewagen, während wir für den 9. November einen Preis von 29,90 € im Sitzwagen und 129,90 € im Liegewagen erhalten. Hier lohnt sich also der Preisvergleich an unterschiedlichen Tagen.
Angenehm ist auch die Tarifstruktur. Das „Full Flexible“ Ticket kostet nur 5–10 € mehr als eine nicht stornierbare Fahrkarte. Außerdem bieten die ÖBB auch für diesen Zug ihr „Anschlussticket Nightjet“ für Züge der DB aus Deutschland an. Das ist etwa ein Drittel günstiger als der Flexpreis, aber ebenfalls kostenfrei stornierbar. Für etwa 100 € kann man so eine vollständig flexible Fahrkarte von z. B. Köln nach Stockholm buchen (Sitzwagen, Liegewagen mit entsprechenden Zuschlägen). Das ist besonders praktisch, wenn ihr rund um den Nachtzug noch weitere Tickets benötigt, die über andere Kanäle verkauft werden – zum Beispiel Fähren von Stockholm nach Finnland – oder erst später in den Verkauf gehen.
Ebenfalls ist bei den ÖBB ein reiner Interrail-Zuschlag für diesen Zug buchbar, der 14,90 € im Sitzwagen und dynamisch mehr im Liegewagen beträgt. Dafür kann die entsprechende Ermäßigung auf der Seite hinterlegt werden.
Übrigens: Auch weiterhin fährt Snälltaget über Nacht von Berlin und Hamburg nach Malmö und Stockholm. Die Fahrt dauert allerdings länger und der Zug fährt ab Ende September nur noch unregelmäßig. Der Komfort in den Sitz- und Liegewagen dürfte vergleichbar zum SJ-Nachtzug sein, Schlafwagen gibt es hingegen keine. Ein Preisvergleich kann sich lohnen – der am besten über die Homepage der SJ möglich ist, wo Tickets für beide Züge verkauft werden.
Leider haben wir zum Zeitpunkt der Recherche keine freien Schlafwagenplätze im SJ-Nachtzug gefunden. Wir vermuten, dass eine temporäre Buchungssperre dahinter steckt. Weitere Kontingente dürften freigeschaltet werden, sobald die genaue Zusammensetzung des Zuges festgelegt ist. Sobald wir hierzu weitere Informationen erhalten, lest ihr es an dieser Stelle.
Trevlig resa!
Kurzstrecke
Updates, News und Fundstücke – alles, was sich sonst noch auf und neben Europas Gleisen tut, in der Kurzstrecke.
Etwas schneller von Madrid nach Lissabon
Apropos grenzüberschreitender Bahnverkehr: Zu einer leichten Verbesserung ist es für Zugreisen zwischen Spanien und Portugal gekommen. Seit dem 31. Juli dauert die Fahrt von Madrid nach Lissabon „nur“ noch knapp 9 statt 11 Stunden. Möglich wurde das durch die Eröffnung einer Neubaustrecke zwischen Plasencia und Badajoz in Spanien. Am Grenzbahnhof Badajoz besteht Anschluss an einen Regionalzug der portugiesischen CP, ein zweiter Umstieg ist in Entroncamento nötig. Die direkte Nachtzugverbindung nach Lissabon war von der spanischen Renfe im Frühjahr 2020 dauerhaft eingestellt worden. [Mehr Infos]
Ungarn: Donaustrecke wieder frei
Der Zugverkehr zwischen Tschechien und Ungarn läuft seit dem 30. Juli wieder normal. Ein Erdrutsch an der Donaustrecke beim ungarischen Szob hatte über den Sommer hinweg zu starken Beeinträchtigungen geführt. Internationale Züge wurden weiträumig umgeleitet, betroffen waren davon unter anderem die Eurocity-Züge von Prag nach Budapest. Inhaber:innen von Tickets weist die České dráhy darauf hin, die aktuellen Fahrzeiten noch einmal kurz vor der Abfahrt zu überprüfen.
Weniger Fähren zwischen Stockholm und Turku
Die finnische Silja Line verchartert ab September zwei Ostseefähren in die Niederlande, wo sie als Unterkunft für Geflüchtete dienen. Eine Folge: Die Reederei wird künftig nur noch eine statt zwei Fahrten pro Tag und Richtung zwischen Stockholm und Turku anbieten. Wettbewerber Viking Line ist weiterhin zweimal täglich auf der Strecke unterwegs, so dass sich die Kapazität insgesamt um 25 % reduziert. Achtung: Wegen Bauarbeiten halten die Züge zwischen Turku und Helsinki ab 15. August für mindestens zwei Jahre nicht mehr direkt am Fährterminal (Bahnhof Turku satama) und dem Hauptbahnhof, sondern beginnen und enden am östlichen Stadtteilbahnhof Kupittaa. Ein Bustransfer ist eingerichtet. [Mehr zum Umstieg]
Zum halben Preis durch Nordschweden
Kurzentschlossen nach Nordschweden? Falls das etwas für euch ist, hat Norrtåg ein interessantes Angebot am Start: Noch bis Ende August gibt es Fahrkarten für Zugverbindungen in der schwedischen Region Norrland zum halben Preis. Das gilt zum Beispiel für die Strecken Umeå–Sundvall, Umeå–Storlien und Umeå–Luleå–Kiruna. Ebenfalls gültig ist das Angebot zwischen Luleå und Haparanda an der schwedisch-finnischen Grenze. Die günstigen Tickets bekommt ihr mit dem Rabattcode SOMMAR auf der Website von Norrtåg. [Jetzt buchen]
Neues Tool visualisiert Zugverkehr in Europa
Wie weit komme ich in fünf Stunden mit dem Zug? Diese Frage beantwortet für viele Bahnhöfe in Europa das Tool Chronotrains. Auf einer Karte wird in so genannten Isochronen dargestellt, wie groß der „Zugreiseradius“ von einem beliebigen Ausgangspunkt ist. Das ist so einfach wie effektvoll, dass es in den sozialen Netzwerken für einiges Aufsehen gesorgt hat. Unter anderem lässt sich sehr schön nachvollziehen, wie der Zugverkehr innerhalb einzelner Länder mehr oder weniger funktioniert, sobald es aber an eine Grenze geht, oft völlig zusammenbricht. Auch der Unterschied zwischen Flächenbahnen wie im DACH-Raum und den weitmaschigen Schienennetzen Frankreichs und Spaniens wird deutlich. [Zum Tool]
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