46: Warum ich Respekt vor Volker Wissing habe

Die Zugpost ist heute etwas politischer als sonst. Aber diese Woche lässt sich das nicht vermeiden. Am Ende geht es auch wieder um Züge, versprochen!

46: Warum ich Respekt vor Volker Wissing habe
Volker Wissing bleibt Verkehrsminister. Foto: Volker Emersleben / DB AG

Hallo Zugfans 👋

Am Tag, an dem Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt wurde, ging es mir schlecht. Hatte ich mich im Vorfeld schon fast demonstrativ geweigert, mich für die US-Wahl zu interessieren, traf es mich nun mit voller Wucht. Selbst eine Ausfahrt mit dem Rad bei erstaunlich schönem Wetter konnte meine Laune nicht verbessern.

Am nächsten Morgen wichen Resignation und Ratlosigkeit langsam Pragmatismus. Okay, er ist wieder da, und die nächsten Jahre werden hart. Aber: Ich kann daran nichts ändern. Als Demokrat bleibt mir nichts anderes übrig, als das Votum des amerikanischen Volkes zu akzeptieren. Was ich mich stattdessen frage: Wie schaffen wir es, dass es in Europa nicht so weit kommt? Dass kein so tiefer Riss durch die Gesellschaft geht? Dass wir wieder enger zusammenrücken?

Indem wir uns weiter gegenseitig die Köpfe einhauen, weil wir nicht exakt einer Meinung sind, vermutlich nicht.

Das bringt mich zum zweiten großen Thema der Woche. Wenige Stunden nachdem sich Donald Trump zum Wahlsieger erklärt hatte, zerbrach die deutsche Regierung. Alle Minister der FDP – der Partei, an deren Störfeuern und Indiskretionen die Ampelkoalition mit SPD und Grünen letztlich gescheitert ist – nahmen ihren Hut.

Alle, bis auf einen: Volker Wissing, Minister für Digitales und Verkehr, und damit oberster Hüter der Deutschen Bahn. Um sein Amt weiter ausüben zu können, trat er aus der FDP aus. Ein bemerkenswerter Vorgang, der ihm heftige Kritik einbrachte.

Volker Wissing ist vielleicht nicht der Verkehrsminister, von dem wir vor drei Jahren geträumt haben. Aber er ist der beste seit langer Zeit (zugegeben, die Latte lag nicht besonders hoch). Was die Eisenbahn betrifft, wird er für zwei Projekte in die Geschichte eingehen: Erstens, das 9-Euro-Ticket, das auf eine Idee Wissings zurückgeht und das den ÖPNV in Deutschland revolutioniert hat wie kaum eine verkehrspolitische Maßnahme zuvor. Und zweitens, die Generalsanierung der Deutschen Bahn, dem größten Hoffnungsschimmer, dass es in den kommenden Jahren mit der Verlässlichkeit der DB wieder bergauf geht.

Volker Wissing und Bahnchef Lutz auf der Baustelle, von Mikrofonen umringt
Beim Spatenstich zur Sanierung der Riedbahn. Foto: Oliver Lang / DB AG

Sicher, es hätte mehr sein können, das Bekenntnis zur Bahn klarer und entschiedener. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Wissing von Bremsern umgeben war. Der oberste von ihnen, sein – nun ehemaliger – Parteichef Christian Lindner, pfiff ihn immer wieder entscheidend zurück, wenn er einen sinnvollen Vorschlag machte, etwa zum Verbrenner-Aus.

Was treibt Volker Wissing an? Hört man Menschen zu, die ihn schon länger begleiten und beobachten, entsteht das Bild eines bescheidenen und pflichtbewussten Mannes, der über Parteigrenzen hinaus geschätzt wird. Eines Mannes, der tatsächlich an das Potenzial der Ampel geglaubt hat. Der seinen Job zu Ende bringen möchte.

In einem Interview mit der Tagesschau gab Wissing an, dass es genau diese beiden Projekte sind – das Deutschlandticket und die Generalsanierung –, für die er sich bis zur Neuwahl weiter einsetzen möchte:

„Und was die Sanierung der Bahn angeht: Da ist es sehr wichtig, dass ein Minister sich weiter darum kümmert. Das kann ich ja nun tun. Die finanziellen Mittel sind vorhanden. Aber natürlich ist es wichtig, dass wir bald auch einen Bundeshaushalt für 2025 bekommen. Ich werde alles tun, damit es nicht zu Verzögerungen bei der Generalsanierung kommt.“

Sollten wir es tatsächlich mit einem Politiker zu tun haben, der seine Pflicht über Partei und persönliche Karriere stellt?

Ich nehme Volker Wissing das ab. Nach allem, was ich in den letzten Tagen gelesen und gehört habe, scheint bei dem gläubigen Christen und Orgelspieler, der lieber mit dem Golf in den Urlaub fährt als mit dem Porsche zu prahlen und privat so gut wie nie fliegt, tatsächlich ein protestantisches Berufsethos der Antrieb zu sein. Das muss man nicht gut finden, aber mir ist jemand, der Werte hat und versucht, sich treu zu bleiben, allemal lieber als jemand, der sein Fähnchen in den Wind hängt. Wenn wir eines in diesen Zeiten gebrauchen können, dann sind es Menschen mit Rückgrat.

Brücken zu bauen war vielleicht noch nie so wichtig wie jetzt. Dazu gehört, die Leistung von Politikerinnen und Politikern anzuerkennen, auch wenn sie in einer Partei sind, deren Farbe uns nicht passt. Ich habe noch nie die FDP gewählt und werde es wohl auch künftig nicht tun. Und trotzdem sage ich:

Ich habe Respekt vor Volker Wissing.


Während die einen ihre Aufgabe zu Ende bringen wollen, sind andere schon im Wahlkampfmodus. Robert Habeck scheint der Meinung zu sein, dass Twitter (oder „X“, wie man, wenn es nach Elon Musk geht, jetzt sagen soll) noch ein geeignetes Mittel dafür ist, und ist nach fünf Jahren auf die Plattform zurückgekehrt. Ich halte das für einen Fehler und ein verheerendes Signal.

Die gute Nachricht: Wer braucht denn Twitter? Was Bahnthemen betrifft, haben sich auf alternativen Plattformen wie Mastodon und Bluesky längst starke Gemeinschaften gebildet, in denen in der Regel vernünftig und ohne Hass und Hetze miteinander diskutiert wird.

Für alle, die einmal bei Bluesky reinschnuppern möchten, habe ich ein sogenanntes Starter Pack geschnürt. Das ist eine Auswahl von Personen und Organisationen, die regelmäßig über Zugreisen posten:

Team Zugreisen 🚂
Join the conversation

Apropos Bahnthemen: In der Kurzstrecke geht es heute um neue Zugverbindungen nach Italien, Slowenien und Norwegen. Außerdem im Mitgliederbereich: Passend zu meinen Gedanken über Bahnhöfe hat uns Astrid einen tollen Schienenmoment von einem besonderen italienischen Bahnhof geschickt. Noch kein Mitglied? Jetzt kostenlos anmelden!

Kommt gut in die neue Woche!

– Sebastian