Welterbe Tschechien: Mit dem Zug zur Kultur
Das kleine Tschechien zählt 16 Welterbestätten. Ehrensache, dass diese sich im „gelobten Land“ der Eisenbahn hervorragend mit dem Zug entdecken lassen. Die Zugpost verrät, wie das geht.
Wenn ich ein Land mit dem Zug bereise, suche ich mir gerne ein bestimmtes Thema. Hier in Finnland sind es zum Beispiel die großartigen Nationalparks, die ich nach und nach für mich entdecke.
Als ich vor ein paar Jahren in Tschechien unterwegs war, nahm ich mir die UNESCO-Welterbestätten vor. Diese sind nicht nur strategisch günstig über das ganze Land verteilt, sie geben auch einen tollen Einblick in die vielfältige Kultur Tschechiens. Es war eine tolle Reise – nicht zuletzt wegen Tschechiens wunderbarer Eisenbahn, in der auch die Reisekultur nicht zu kurz kommt.
Diese Zugpost soll Lust machen, auch einmal in den Zug nach Tschechien zu steigen. Sie stellt euch alle Welterbestätten vor und verrät, wie ihr sie mit dem Zug erreicht. Ob ihr euch dabei wie ich von Welterbe zu Welterbe hangelt oder euch eure Favoriten herauspickt, liegt natürlich ganz bei euch.
Im Anschluss gibt es einen kleinen Crashkurs über alle praktischen Fragen zum Zugreisen in Tschechien.
Viel Spaß beim Lesen!
Welterbestätten in Tschechien
In Tschechien gibt es derzeit 16 Welterbestätten. Für ein Land mit 10,5 Millionen Einwohnern ist das eine beeindruckende Zahl. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Tschechien bis zur Wende und der friedlichen Trennung von der Slowakei Anfang der 1990er Jahre von der UNESCO links liegen gelassen wurde.
Die Welterbestätten teilen sich etwa gleichmäßig auf die historischen Landesteile Böhmen und Mähren auf. Schlesien, der dritte und mit Abstand kleinste Teil Tschechiens, ging dagegen bislang leer aus. Tschechiens Welterbe ist sehr vielfältig und reicht von einzelnen Bauwerken wie Schlössern und Kirchen bis hin zu historischen Stadtkernen und ganzen Regionen.
Nachfolgend erfahrt ihr mehr über die einzelnen Welterbestätten und wie ihr sie mit dem Zug erreicht. Die Numerierung entspricht der Reihenfolge ihrer Ernennung durch die UNESCO.
1. Prag: Historisches Zentrum
Ja, Prag ist voll. Und ja, Prag ist auch nicht mehr so günstig, wie es einmal war. Aber: Prag muss man gesehen haben! Das historische Zentrum der „Goldenen Stadt“ wurde 1992 von der UNSESCO zur ersten Welterbestätte in Tschechien ernannt. Und das völlig zurecht. Die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, die Brücken über die Moldau und die Prager Burg haben noch jeden Besucher in ihren Bann gezogen. Außerdem: Prag der ideale Ausgangspunkt, um die anderen spannenden Orte auf dieser Liste zu entdecken.
Prag mit dem Zug
Tschechiens Hauptstadt ist hervorragend mit dem Zug zu erreichen. Von Berlin und Dresden gibt es alle zwei Stunden einen Eurocity mit Speisewagen durchs malerische Elbtal. Einzelne Züge starten schon in Hamburg, einer sogar in Flensburg. Direkt nach Prag geht es auch mit dem Alex (laenderbahn.com) ab München über Regensburg. Österreich hat Direktzüge von Graz, Wien und Linz. Und von der Schweiz fahren jeden Abend zwei Nachtzüge nach Prag, einmal durch die Alpen und einmal via Dresden.
2. Altstadt von Český Krumlov
Wo die Moldau nicht nur einen Bogen macht, sondern gleich drei enge Schleifen schnürt, liegt Český Krumlov. Böhmens Perle scheint direkt dem Märchenbuch entsprungen. Das gilt besonders für die Altstadt, die sich mit ihren verwinkelten Gassen in die mittlere Flussschleife klemmt, und das Schloss, das majestätisch über allem thront. So viel Liebreiz hat seinen Preis: Neben Prag ist Český Krumlov die andere Welterbestadt, die völlig dem Massentourismus anheimgefallen ist. Millionen Besucher, viele aus Übersee, schieben sich Jahr für Jahr durch den kompakten Stadtkern. Ab jetzt wird es ruhiger, versprochen!
Český Krumlov mit dem Zug
Der Bahnhof Český Krumlov ist einen kleinen Fußmarsch (ca. 2 km) von der Altstadt entfernt. Er liegt an der Nebenbahn von České Budějovice nach Nové Údolí direkt an der deutschen Grenze. Züge gibt es etwa alle zwei Stunden und werden von GW Train Regio (gwtr.cz) betrieben. Die Fahrt von České Budějovice nach Český Krumlov dauert 50 Minuten und kostet 40 CZK. Achtung: Tickets der České dráhy und Interrail sind an Bord nicht gültig! Die ČD betreibt dafür täglich einen Direktzug von Prag nach Český Krumlov, dieser führt sogar ein Bordbistro.
3. Altstadt von Telč
Auf halber Strecke zwischen Český Krumlov und Brno, gerade eben in Mähren, liegt das Städtchen Telč. Gut 5000 Einwohner erfreuen sich hier an einem der schönsten Marktplätze Europas. Die pastellfarbenen Häuser sind im italienischen Renaissancestil gehalten, in den Laubengänge locken Galerien und gemütliche Cafés. Der dreieckige Platz läuft zu auf das Schloss Telč, wo so mancher der tschechischen Märchenfilme gedreht wurde. Die Altstadt umgibt ein Netz aus Teichen und Wasserzügen, was das alte Teltsch einst zur Festung machte. Heute sorgt es für ein idyllisches Stadtbild und hübsche Fotomotive.
Telč mit dem Zug
Der Bahnhof von Telč liegt an einer Nebenbahn, die in Kostelec u Jihlavy von der landschaftlich reizvollen Bahnstrecke Brno–Jihlava–České Budějovice abzweigt. Die Bedienung erfolgt alle zwei Stunden mit modernisierten Triebwagen. Im Norden werden die Züge über Jihlava bis Havlíčkův Brod durchgebunden, hier bietet sich ein Umstieg aus Richtung Prag an.
4. Žďár nad Sázavou: Wallfahrtskirche des heiligen Johannes von Nepomuk
Eine der einzigartigsten Kirchen Europas liegt auf einem Hügel am Rand der Stadt Žďár nad Sázavou in Mähren. Die Wallfahrtskirche des hl. Johannes von Nepomuk auf Zelená Hora, wie sie offiziell heißt, bietet einen Stilmix aus Gotik und Barock, bei dem die Zahl Fünf eine große Rolle spielt. Die Kirche selbst hat einen fünfzackigen Grundriss und befindet sich im Zentrum eines ringförmigen Kreuzganges, in dem sich fünf dreieckige Kapellen und fünf ovale Kapellen abwechseln. Erdacht wurde der Bau vom italienischstämmigen Architekten Johann Blasius Santini-Aichel. Der Legende nach soll er nur einen Zirkel bei der Planung benutzt haben – was erklärt, warum sich kaum eine gerade Wand in dem Ensemble findet.
Ein Abstecher zur Wallfahrtskirche lohnt sich aufgrund der beeindruckenden Architektur und der reizvollen Lage unbedingt. Das graue Žďár nad Sázavou selbst kann man dagegen ohne schlechtes Gewissen links liegen lassen.
Žďár nad Sázavou mit dem Zug
Žďár nad Sázavou liegt an der zweitwichtigsten Bahnverbindung von Prag nach Brno, nämlich über Havlíčkův Brod. Hier verkehrt alle zwei Stunden ein Schnellzug, den man gut und gerne Welterbe-Express nennen kann – neben Prag, Brno und Žďár nad Sázavou hält er mit Kutná Hora (siehe unten) auch noch in einer vierten Welterbe-Stadt. Von Prag nach Žďár nad Sázavou dauert die Fahrt 2,5 Stunden, von Brno ist es gut eine Stunde. Ebenfalls verkehren auf der Strecke Züge von Regiojet. Die Wallfahrtskirche ist 3 km vom Bahnhof entfernt.
5. Kutná Hora: Altstadt, Dom und Kloster
Der Silberbergbau brachte Wohlstand nach Kutná Hora. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts galt es als zweitwichtigste Stadt Böhmens. Nach Prag, versteht sich, für das man die Münzen prägte. Die gut erhaltene mittelalterliche Altstadt, in der sich heute Geschäfte und Kaffeehäuser tummeln, zeugt von der einstigen Bedeutung. Herausragender Bau ist der weithin sichtbare Dom der heiligen Barbara mit seinem einmaligen Zeltdach. Ebenfalls zum Welterbe zählt das Kloster Sedlec im gleichnamigen Stadtteil. Auf dem Friedhofsareal befindet sich das bei Touristen besonders beliebte Beinhaus – eine Knochenkirche, deren Wände die Überreste von zehntausend Menschen schmücken. Schaurig schön!
Kutná Hora mit dem Zug
Wie oben beschrieben, liegt auch Kutná Hora an der Bahnstrecke Prag–Havlíčkův Brod–Brno und wird zweistündlich von Schnellzügen bedient. Von Prag dauert die Fahrt nur etwas unter einer Stunde, womit sich Kutná Hora perfekt für einen Tagesausflug eignet. Vom etwas außerhalb gelegenen Hauptbahnhof Kutná Hora hlavní nádraží zweigt eine Nebenbahn nach Zruč nad Sázavou ab. Die Züge halten in Kutná Hora-Sedlec (Bedarfhalt) und am Stadtbahnhof Kutná Hora město, über die sich die Welterbestätten am besten erreichen lassen.
6. Kulturlandschaft Lednice-Valtice
Zwei Schlösser, dazwischen über 100 Quadratkilometer Parklandschaft – die Adelsfamilie Liechtenstein hat sich mit der Kulturlandschaft Lednice-Valtice bei Břeclav in Südmähren ein gewaltiges Denkmal gesetzt. Neben den Hauptattraktionen, Schloss Lednice und Schloss Valtice, finden sich auf dem riesigen Areal viele weitere sehenswerte Bauwerke, darunter verschiedene Tempel und ein Obelisk. Auf dem Parkgelände nach englischem Vorbild lässt es sich nach Herzenslust spazieren, Fahrrad fahren und picknicken. Von Mai bis September fährt zudem eine Museumsbahn von Břeclav nach Lednice.
Lednice-Valtice mit dem Zug
Lednice ist heute nicht mehr im Regelverkehr mit dem Zug zu erreichen, aber es gibt eine gute Busverbindung von Břeclav. Valtice liegt an der Bahnstrecke Břeclav–Znojmo und hat zwei Bahnhöfe: Valtice und Valtice město. Letzterer liegt näher am Zentrum mit dem Schloss und wird alle ein bis zwei Stunden von Regionalzügen bedient. Von Břeclav dauert die Fahrt 10 Minuten.
7. Kroměříž: Schloss und Gärten
Die Kombination aus Barock und Botanik verhalf auch Kroměříž in Ostmähren zu Welterbe-Ruhm. Zum einen ist da das erzbischöfliche Schloss Kroměříž samt Schlosspark, das sich an einer Ecke des Marktplatzes befindet. Mit den prächtigen Bürgerhäusern am Markt ergibt das ein sehenswertes Ensemble, das sogar einmal zum schönsten historischen Stadtkern Tschechiens gewählt wurde. Teil zwei des Welterbes ist der sogenannte Blumengarten. Die penibel gepflegte Anlage im italienischen Stil begrenzt eine 244 m lange Kolonnade, von deren Arkaden Statuen griechischer Götter und anderer antiker Figuren grüßen. Kein Wunder, dass Kroměříž auch den Spitznamen „Athen“ trägt.
Kroměříž mit dem Zug
Kroměříž liegt in der Mitte einer kurzen Querverbindung zwischen Kojetín an der Bahnstrecke Brno–Přerov und Hulín an der Bahnstrecke Břeclav–Bohumín. Von beiden Enden dauert die Fahrt 10 Minuten, es gibt einen dichten Takt mit Nahverkehrszügen. Eine Reise von Prag nach Kroměříž dauert etwa 3 Stunden mit Umstieg in Hulín. Von Brno aus bietet sich die Fahrt über Kojetín an, hier verkehrt stündlich ein Zug von Regiojet.
8. Holašovice: Bauernbarock am Böhmerwald
Das Dorf Holašovice in Südböhmen lädt zu einer Zeitreise ein. Im winzigen Weiler unweit von České Budějovice (deutsch Budweis) blieb die ursprüngliche Ortsstruktur aus dem Mittelalter bis heute erhalten. Zentrales Element ist ein Ensemble aus Gehöften im böhmischen Bauernbarock, die sich um den Dorfteich gruppieren. Nach der Wende wurde die wertvolle Bausubstanz aus dem 18. und 19. Jahrhundert aufwendig restauriert und ist seit 1998 Weltkulturerbe. Einmal im Jahr steigt in Holašovice ein beliebter Jahrmarkt, ansonsten lässt sich hier die Ruhe und Abgeschiedenheit am Fuße des Böhmerwalds genießen. Ein schöner Kontrast zum überlaufenden Český Krumlov, das keine 20 Kilometer Luftlinie von Holašovice entfernt liegt.
Holašovice mit dem Zug
Das winzige Holašovice hat keinen Bahnhof, dafür gibt es eine gute Busverbindung von České Budějovice. Die Fahrzeit beträgt etwa 45 Minuten, Fahrpläne gibt es auf idos.cz. Wichtig: Die korrekte Haltestelle heißt Holašovice/Jankov. In České Budějovice fahren die Busse vom Zentralen Busbahnhof, dieser befindet sich auf dem Dach eines Einkaufszentrums unweit vom Bahnhof.
9. Litomyšl: Schloss mit Musik
Litomyšl in Ostböhmen ist der Geburtsort des weltberühmten Komponisten Bedřich Smetana („Die Moldau“). Das allein reichte aber noch nicht für den Welterbestatus, dazu brauchte es noch das imposante Schloss. Reich verziert mit einem sogenannten Sgraffito wacht der Renaissancebau am Eingang der Stadt. Wieder einmal sind italienische Einflüsse ganz klar zu spüren. Und auch mit Smetana ist Schloss Litomyšl eng verbunden: Nicht nur hatte er im Schlosstheater seinen ersten Auftritt als Pianist, zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt findet hier auch alljährlich ein Opernfestival statt.
Sehenswert ist auch Litomyšl selbst, eine intakte Kleinstadt fernab der Touristenströme. Wäre da nur nicht der Autoverkehr, der wie so oft in Tschechien das idyllische Stadtbild stört.
Litomyšl mit dem Zug
Zum Bahnhof Litomyšl nordwestlich des Stadtzentrums führt eine Nebenbahn, die in Choceň von der Hauptstrecke Prag–Brno über Pardubice abzweigt. Täglich pendeln etwa sieben Zugpaare zwischen Choceň und Litomyšl, der Fahrplan ist vor allem auf Schüler und Pendler ausgerichtet. Die Reisezeit von Prag nach Litomyšl beträgt je nach Verbindung 2 bis 2,5 Stunden, von Brno sind es 2,5 bis 3,5 Stunden.
10. Olomouc: Dreifaltigkeitssäule
Waren wir bislang vor allem im ländlichen Tschechien unterwegs, wird es nun urban. Mit 100.000 Einwohnern ist Olomouc, zu deutsch Olmütz, die sechstgrößte Stadt Tschechiens. Olomouc ist seit jeher das kulturelle Zentrum Nordmährens, während im eine Stunde entfernten (und deutlich größeren) Ostrava die Industrie den Ton angab. Zum Welterbe zählt Olomouc seit 2000 für seine Dreifaltigkeitssäule. Es handelt sich um eine Pestsäule, mit deren Bau 1716 begonnen wurde – aus Dankbarkeit, dass der Schwarze Tod im selben Jahr aus der Stadt verschwunden war. Für die Fertigstellung nahm man sich fast 40 Jahre Zeit. Die 35 Meter hohe Säule, die sogar Platz für eine begehbare Kapelle bietet, gilt als wichtigstes Beispiel des Olmützer Barocks.
Aber auch sonst ist Olomouc unbedingt einen Besuch wert. Die Dreifaltigkeitssäule steht auf dem zentralen Marktplatz Horní náměstí und ist ein idealer Startpunkt für einen Streifzug durch die sehenswerte und lebendige Universitätsstadt.
Olomouc mit dem Zug
Am Hauptbahnhof Olomouc hlavní nádraží mit seinem wuchtigen Empfangsgebäude kreuzen sich fünf Bahnstrecken. Es gibt direkte Zugverbindungen aus vielen Städten in Tschechien, zum Beispiel Prag (2,5 Stunden), Brno (1,5 Stunden) und Ostrava (1 Stunde). Darüber hinaus halten internationale Züge aus Warschau und Krakau.
11. Brno: Villa Tugendhat
Noch größer ist Brno, das auf Deutsch Brünn heißt. Hinsichtlich Einwohnerzahl und Bedeutung ist das Zentrum Mährens die klare Nummer zwei in Tschechien. Zum Welterbe zählt aber nur ein einziges, unscheinbares Haus in einer Wohnsiedlung: die Villa Tugendhat. Okay, es handelt es sich nicht um irgendein Haus, sondern um eine Ikone des Bauhausstils. Entworfen wurde der flache Bau vom deutsch-amerikanischen Stararchitekten Mies van der Rohe.
Zugegeben: Wer sich nicht gerade für Architektur interessiert, könnte enttäuscht sein. Das großartige Brno deswegen links liegen zu lassen, wäre ein Fehler! Brno ist ein erfrischender Gegenentwurf zu Prag – jünger, moderner und doch voller Geschichte. Außerdem ist es das perfekte „Basislager“ zur Erkundung der Welterbestätten in Mähren.
Brno mit dem Zug
Brno ist ein wichtiger Eisenbahnknoten. Es gibt Direktzüge aus allen Ecken von Tschechien, von Prag dauert die Fahrt 2,5 Stunden. Internationale Züge verkehren nach Bratislava, Budapest, Berlin und Wien. Neben dem Hauptbahnhof Brno hlavní nádraží hat auch der untere Bahnhof Brno dolní nádraží eine gewisse Bedeutung.
12. Třebíč: Jüdisches Viertel und St.-Prokop-Basilika
Zurück in die Provinz. Wobei: Mit 35.000 Einwohnern ist Třebíč am Fluss Jihlava in Westmähren gar nicht mal so klein. Am nördlichen Ufer befindet sich das jüdische Viertel mit zwei Synagogen, über hundert gut erhaltenen Häusern und einem Friedhof. Ein verwinkeltes und verblüffend dreidimensionales Ensemble mit wechselvoller bis dunkler Geschichte. Einst ein Ghetto, verließen viele Juden Třebíč mit Erhalt der vollen Bürgerrechte im Jahr 1848. Den Holocaust überlebten nur zehn der verbliebenen Gemeindemitglieder.
Nach dem Krieg drohte das Viertel zu verfallen, konnte aber gerettet und zur Jahrtausendwende umfangreich saniert werden. Zum Welterbe zählt auch die St.-Prokop-Basilika, die auf ein Benediktinerkloster aus dem 12. Jahrhundert zurückgeht. Die Kombination aus jüdischen und christlichen Bauten soll an das jahrhundertelange Zusammenleben beider Religionen in Třebíč erinnern.
Třebíč mit dem Zug
Der Bahnhof Třebíč liegt 63 Schienenkilometer westlich von Brno und wird alle zwei Stunden von den besonders langlaufenden Schnellzügen auf der Relation Plzeň–České Budějovice–Jihlava–Brno bedient. Besonderes Highlight: Da die Strecke östlich der Stadt Jihlava nicht elektrifiziert ist, wird hier die E-Lok durch eine bei Bahnkennern beliebte Diesellok mit dem Spitznamen „Taucherbrille“ ausgetauscht. Das betriebliche Geschehen lässt sich auch gut von Třebíč selbst aus beobachten, oberhalb der Stadt rauschen die Züge über ein sehenswertes Viadukt durch das Jihlavatal.
13. Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří
Deutschland und Tschechien teilen sich nicht nur das Erzgebirge (tschechisch Krušné hory), sondern auch die Bodenschätze, die darunter schlummern. Oder besser gesagt, schlummerten. Ab dem 11. Jahrhundert wurde auf sächsischer wie böhmischer Seite abgebaut, was das Erdreich hergab: Silber, Zinn, Kobalt, Eisen und ja, sogar Uran. Als nach 800 Jahren Bergbau die letzte Zeche schloss, blieb eine einmalige Kulturlandschaft zurück. Im Jahr 2019 erhob die UNESCO die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří zum Welterbe.
Auf tschechischer Seite liegen 5 der 22 Bestandteile des transnationalen Welterbes, und zwar in den Bezirken Karlovy Vary und Ústí nad Labem. In den überwiegend ländlich geprägten oder bewaldeten Montanlandschaften kann man jahrhundertealte Bergbautechnik bestaunen und in so manche historische Grube hinabsteigen.
Montanregion Krušnohoří mit dem Zug
Anlaufpunkte für Zugreisende sind Horní Blatná an der Bahnstrecke Karlovy Vary–Johanngeorgenstadt sowie Měděnec an der Bahnstrecke Chomutov–Vejprty und weiter nach Annaberg-Buchholz. Gut mit dem Zug erreichbar ist auch Krupka mit seiner Burg und dem Besucherbergwerk Starý Martin. Der Bahnhof heißt Krupka-Bohosudov und wird von Direktzügen aus Děčín und Ústí nad Labem bedient. Andere Zentren der Montanregion wie Jáchymov sind dagegen nur mit dem Bus zu erreichen.
14. Nationalgestüt Kladruby nad Labem
Können Pferde zum Welterbe zählen? Nicht ganz, wohl aber Orte, an denen sie seit Jahrhunderten gezüchtet und ausgebildet werden. Das Nationalgestüt Kladruby nad Labem, etwa 80 km östlich von Prag an der Elbe gelegen, ist so ein Ort. Die Geschichte des Gestüts reicht bis ins Jahr 1579 zurück. Seitdem sind hier die sogenannten Kladruber-Pferde zuhause, die schon bei Zeremonien am kaiserlichen und königlichen Hof ihren Auftritt hatten. Aufgrund ihres ruhigen und ausgeglichenen Charakters eignen sich Kladruber besonders für Fahrsport, Dressur und therapeutisches Reiten. Beliebt sind sie auch bei den Königshäusern in Dänemark und Schweden.
Pferdefreunde haben die Möglichkeit, das Gestüt Kladruby nad Labem von April bis Oktober zu besichtigen und sich auf einer Kutschfahrt durch die idyllische Flusslandschaft ziehen lassen.
Kladruby nad Labem mit dem Zug
Die Gemeinde Kladruby nad Labem besteht aus vier Ortsteilen und hat insgesamt nur etwa 600 Einwohner. Es gibt keinen direkten Gleisanschluss, aber der nächstgelegene Bahnhof Řečany nad Labem ist nur 3 km vom Gestüt entfernt. Řečany nad Labem liegt zwischen Kolín und Pardubice an der Hauptstrecke Prag–Brno und wird stündlich von Nahverkehrszügen bedient. Die Fahrt von Prag dauert etwa 1 bis 1,5 Stunden mit einem Umstieg in Kolín.
15. Buchenwälder im Isergebirge
Das Isergebirge (tschechisch Jizerské hory) ist Teil der Sudeten und befindet sich im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Polen. Dass es im Jahr 2021 auf die Liste der Welterbestätten hüpfte, ist doppelt bemerkenswert: Erstens ist es die einzige Welterbestätte in Tschechien, die nicht zum Kulturerbe sondern zum Naturerbe zählt. Zweitens hat es mit dem Isergebirge endlich auch der Norden Tschechiens auf die Landkarte der UNESCO geschafft. Ausgezeichnet wurde der Höhenzug für seine unberührten Buchenwälder. Diese sind nun Teil eines Netzes aus 94 Einzelgebieten, deren Schwerpunkt in den Karpaten liegt. Dazu gehören aber auch Urwälder in vielen anderen Ecken Europas, darunter Deutschland, Italien und der Balkan.
Das Isergebirge lässt sich ausgezeichnet vom nordböhmischen Zentrum Liberec aus erkunden. Der Hausberg Ještěd (deutsch Jeschken) mit seinem futuristischen Fernsehturm bietet einen ersten Überblick. Vertiefen lässt sich der Eindruck auf einer Fahrt über die wunderschöne Bahnstrecke nach Harrachov, die sich südlich am Isergebirge entlang schlängelt. In Harrachov schlägt mit Langlauf, Ski Alpin und Skispringen das Herz des tschechischen Wintersports, im Sommer und Herbst eignet es sich wunderbar zum Wandern.
Isergebirge mit dem Zug
Die Region Liberec ist – für tschechische Verhältnisse – bahntechnisch etwas vernachlässigt. Die Elektrifizierung hat den nördlichen Zipfel Tschechiens bis heute nicht erreicht, und auch die Verbindungen nach Prag sind mühsam. Besser erreichbar ist Liberec aus Deutschland. Über die Grenze führt eine Bahnstrecke von Zittau, es gibt Direktzüge ab Dresden. Ebenfalls gut sind die Verbindungen nach Polen. Die beschriebene Bahnstrecke von Liberec nach Harrachov führt weiter nach Szklarska Poręba und Jelenia Góra in Niederschlesien. Mit dem Euro-Neisse-Ticket lässt sich das Dreiländereck rund um Liberec besonders preiswert entdecken.
16. Kurstädte im böhmischen Bäderdreieck
Zum Ende unserer Rundreise haben wir uns etwas Entspannung verdient. Wo könnte das besser klappen, als in Tschechiens jüngstem Welterbe: dem Bäderdreieck in Westböhmen, bestehend aus Karlovy Vary (Karlsbad), Františkovy Lázně (Franzensbad) und Mariánské Lázně (Marienbad). Seit 2021 sind sie zusammen mit Bädern aus sieben anderen Ländern als „Bedeutende Kurstädte Europas“ Teil des UNESCO-Welterbes. Schon seit Jahrhunderten ziehen mineralhaltige Quellen Ruhesuchende ins malerische Hügelland nahe der deutschen Grenze. Thermen, Parks und Promenaden sind seit dem 19. Jahrhundert weitgehend unverändert geblieben, dazu gesellen sich Kursäle, Kasinos und andere Orte der Zerstreuung.
Ob das mondäne Karlovy Vary, das charmante Františkovy Lázně mit seinem Empirestil oder das wunderschön gelegene Mariánské Lázně – das westböhmische Bäderdreieck allein eignet sich schon für eine tolle Welterbe-Runde. Von Deutschland aus lässt sich das hervorragend als Wochenendtrip machen.
Bäderdreieck mit dem Zug
Karlovy Vary liegt an der Bahnstrecke Ústí nad Labem–Cheb. Es gibt zweistündlich Schnellzüge ab Prag, die Fahrt dauert 3,5 Stunden. Cheb ist über Marktredwitz direkt von Nürnberg aus zu erreichen. Nach Karlovy Vary führt zudem eine Regionallinie von Johanngeorgenstadt in Sachsen. Mariánské Lázně liegt an der Bahnstrecke Cheb–Plzeň, auch hier gibt es regelmäßig Fernzüge von Prag. Zwischen Karlovy Vary und Mariánské Lázně pendelt eine direkte Regionalbahn von GW Train Regio. Františkovy Lázně liegt an zwei grenzüberschreitenden Regionalstrecken nach Hof sowie nach Zwickau über Plauen. Für eine Erkundung der Region aus Deutschland bietet sich das EgroNet-Ticket an.
Tschechien mit dem Zug
Unter Bahn-Enthusiasten gilt Tschechien als „gelobtes Land“. Kein Wunder: Auf dem weit verzweigten Schienennetz tummeln sich noch vielfach Züge, die den Charme alter Zeiten versprühen. Tschechiens Eisenbahn ist grundsätzlich zuverlässig, Umstiege sind eingespielt und klappen in der Regel. Und falls doch einmal was schiefgeht: In den urigen Bahnhofskneipen vergeht das Warten auf den nächsten Zug schneller als manchem lieb ist.
Streckennetz
Mit rund 9.400 Kilometern verfügt Tschechien über eines der dichtesten Schienennetze in Europa. Die wichtigsten Fernstrecken verlaufen kreuzförmig durch das Land: von Cheb im Westen nach Ostrava und Bohumín im Osten sowie von Děčín im Norden nach Brünn und Břeclav im Süden. Natürlich treffen sich beide Hauptmagistralen in Prag. Grenzüberschreitende Strecken gibt es nach Deutschland, Österreich, Polen und in die Slowakei.
Besonders beeindruckend ist der Nah- und Regionalverkehr. Selbst kleinste Städte und Dörfer in Tschechien sind noch an das Schienennetz angeschlossen. Obwohl auch hier die Modernisierung voranschreitet, lässt sich auf den Nebenbahnen noch Bahnromantik wie in vergangenen Zeiten erleben.
Züge in Tschechien
Die wichtigste Eisenbahngesellschaft für den Nah- und Fernverkehr in Tschechien ist die staatliche České dráhy, kurz ČD (cd.cz). Im Fernverkehr sind die Zuggattungen SuperCity (SC), EuroCity (EC), Railjet (RJ), InterCity (IC) und Expres (Ex) verbreitet. Hier kommen moderne, klimatisierte Wagen zum Einsatz, in der Regel ist ein Speisewagen vorhanden.
Gemütlicher geht es in den Schnellzügen zu, die in Tschechien Rychlík (R) heißen. Diese Züge sind oft lokbespannt und verfügen über älteres Wagenmaterial, bei dem sich die Fenster öffnen lassen. Den Nahverkehr übernehmen Eilzüge (Sp), die nicht überall halten, sowie Personenzüge (Os) mit Halt an allen Bahnhöfen. Mit etwas Glück könnt ihr hier noch auf die „Brotbüchse“ treffen, einen niedlichen Schienenbus, der vor allem im ländlichen Tschechien über die Schienen tuckert.
Neben der České dráhy sind auch Züge privater Anbieter in Tschechien unterwegs. Im Fernverkehr sind dies RegioJet (regiojet.de) und Leo Express (leoexpress.com). Auch im Nahverkehr werden zunehmend Strecken an Privatbahnen wie Arriva und GW TrainRegio vergeben.
Tickets und Preise
Bahnfahren in Tschechien ist preiswert. Tickets gibt es online, an den noch weit verbreiteten Bahnschaltern und teilweise auch im Zug. Durch frühzeitige Buchung könnt ihr den ohnehin schon günstigen Tarif über Sparpreise mit Zugbindung noch weiter reduzieren. Wer regelmäßig reist, fährt mit der Rabattkarte In Karta wahlweise 25 oder 50 Prozent günstiger. Neben Fahrkarten von A nach B bietet die České dráhy auch einen Tagespass an. Dieser ist entweder für das Gesamtnetz oder für die einzelnen Regionen Tschechiens erhältlich.
Für eine Rundreise durch Tschechien ist auch Interrail eine Option. Es gelten Globalpässe sowie der One Country Pass Tschechien. Mit Interrail seid ihr vielleicht nicht immer günstiger unterwegs als mit normalen Fahrkarten, habt dafür aber die volle Flexibilität: In fast alle Züge könnt ihr ohne Reservierung einfach einsteigen. Beachtet jedoch, dass Interrail nicht in allen privaten Bahnen gültig ist!
Und sonst?
Ein Muss ist ein Besuch im Speisewagen. Reist ihr aus Deutschland an, könnt ihr das schon bei Fahrt mit dem Eurocity von Hamburg, Berlin oder Dresden nach Prag erleben. Eine kleines Barabteil mit Küche gibt es auch in den Railjet-Zügen aus Österreich. Der unumstrittene Klassiker auf der Karte ist Svíčková na smetaně, ein Lendenbraten mit Sahnesauce und Knödeln. Dazu gibt es frisch gezapftes Bier.
Zum Schluss noch ein Buchtipp. Der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš hat mit seiner „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ wohl das Eisenbahnbuch der jüngeren Zeit vorgelegt. Für eine Reise durch Tschechien solltet ihr aber den Vorgänger „Winterbergs letzte Reise“ im Gepäck haben. Wie kein zweiter schafft es Rudiš, die Geschichte Tschechiens mit einer rührenden persönlichen Geschichte sowie seiner Liebe für die Eisenbahn zu verbinden.
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