Verbindungen checken, Tickets per App kaufen, den mobilen Interrail-Pass zücken – beim Zugreisen läuft mittlerweile fast alles digital. Doch wenn ich eine längere Reise plane, greife ich auch gerne zu Hilfsmitteln aus Papier. Nennt mich altmodisch, aber ich liebe es, eine Karte aufzuschlagen, im Kursbuch zu blättern oder mich von Reiseliteratur inspirieren zu lassen. Etwas in den Händen zu halten, macht die Reisevorfreude noch greifbarer.
Hier stelle ich euch drei analoge Begleiter vor, die mir seit vielen Jahren treue Dienste leisten. Keine Apps, kein Algorithmus – sondern Werkzeuge, die sich für mich als leidenschaftlicher Zugreisender bewährt haben. Vielleicht entdeckt ja auch ihr die Freude daran, eure nächste Reise nicht nur am Computer und Smartphone zu planen.
1. Eine Eisenbahnkarte
Ich bin ein visueller Mensch. Und ich liebe Karten. Eine Eisenbahnkarte auszubreiten und mit dem Finger Strecken abzufahren, bereitet mir fast so viel Freude wie die Fahrt selbst. Karten eröffnen neue Perspektiven: Man entdeckt Schienenwege, an die man sonst nie dachte, verknüpft sie mit Orten, an die man schon immer mal wollte – und plötzlich wird aus einer vagen Vorstellung eine echte Reiseidee.
Eisenbahnkarten gibt es in zwei Varianten: als Faltkarte zum Ausklappen und als Atlas zum Blättern. Ein Atlas ist besonders praktisch für unterwegs – gebunden, kompakt und immer griffbereit. Doch trotz all der praktischen Vorteile greife ich immer wieder zur klassischen Faltkarte. Ihr großes Format bietet nicht nur mehr Übersicht, sondern einfach auch mehr Raum zum Träumen.
Mein Favorit: „Railmap Europe“ von Kümmerly+Frey
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Diese Karte aus dem Schweizer Kartenverlag Kümmerly+Frey begleitet mich schon seit vielen Jahren, inzwischen in mehreren Ausgaben. Mit ihrem Maßstab von 1:5.000.000 und einer Größe von ca. 140 x 100 cm im ausgeklappten Zustand bietet sie genau die richtige Mischung aus Übersicht und Detailreichtum.
Es handelt sich um eine topografische Europakarte, auf der nahezu alle für den Personenverkehr relevanten Bahnstrecken verzeichnet sind. Anhand des Linienstils lässt sich zwischen Neubaustrecken, elektrifizierten und nicht elektrifizierten Strecken sowie verschiedenen Spurweiten unterscheiden. Ein kleiner Infoteil am Kartenrand liefert zusätzlich Fakten zum Schienennetz der einzelnen Länder.
Was mir besonders gefällt:
Was diese Karte für mich so wertvoll macht, ist die Kombination aus Topografie und Eisenbahnnetz. Auf einen Blick erkennt man, ob eine Strecke durch Gebirge, Täler oder entlang von Flüssen führt. Die Informationstiefe ist genau richtig: keine unnötigen technischen Details, sondern nützliche Angaben für Zugreisende. So sieht man etwa sofort, wo es noch Dieselstrecken gibt – oft Nebenbahnen, auf denen sich ein Hauch klassischer Bahnromantik erleben lässt.
Auch in Sachen Materialqualität überzeugt die Railmap Europe: Der robuste, wasserabweisende Einband und das strapazierfähige Papier sorgen dafür, dass die Karte viele Reisen problemlos übersteht – sei es im Rucksack oder auf einem Zugtisch ausgebreitet.
Wo die Karte glänzt – und wo nicht:
Besonders gut funktioniert die Karte in Ländern mit weitmaschigem Streckennetz, etwa in Nordeuropa oder Spanien. Hier bietet der Maßstab eine klare, aufgeräumte Übersicht. In dichter besiedelten Regionen mit komplexeren Netzen stößt sie jedoch an ihre Grenzen. Hier hätte ich mir vergrößerte Kartenausschnitte für Ballungsräume gewünscht – Platz gäbe es auf der unbedruckten Rückseite genug.
Alternativen
- Rail Map Europe (European Rail Timetable)
Fast der gleiche Name, aber ein anderes Produkt – herausgegeben von den Machern des Europäischen Kursbuchs (siehe unten). Das Kartenbild ist minimalistischer und konzentriert sich stärker auf die Eisenbahn. Gut gefällt mir die Hervorhebung landschaftlich reizvoller Strecken. Leider enttäuscht die Papierqualität: Schon nach zweimaligem Auffalten hatte meine Karte die ersten Risse an den Knickstellen. - European Railway Atlas (M G Ball)
Ein Eisenbahnatlas im DIN-A4-Format mit Spiralbindung. Die Idee ist großartig, doch die Umsetzung hat Schwächen: Eisenbahnlinien sind nach der Spannung der Oberleitung farbcodiert, was für Reisende eher von geringer Relevanz ist. Zudem ist die Gestaltung verwirrend, so sind etwa Ländergrenzen und Bahnlinien optisch kaum voneinander zu unterscheiden. Hier wäre eine gründliche Überarbeitung ratsam.
2. Ein Zugreiseführer
Eine Karte eröffnet einen Möglichkeitsraum – der aber auch überfordern kann, denn die Zahl der Strecken und Ziele ist schier unbegrenzt. Wo bloß anfangen? Hier kommt ein guter Zugreiseführer ins Spiel: ein durchdachtes Buch, in dem erfahrene Bahnreisende spannende Routen und die Eisenbahnen einzelner Länder vorstellen.
Doch auch bei der Vielzahl an neuen Titeln zum Thema Zugreisen verliert man leicht den Überblick. Deshalb setze ich auf Klassiker, die sich über Jahre hinweg bewährt haben. Wenn ein Buch es in die zehnte oder zwanzigste Auflage schafft und regelmäßig aktualisiert wird, spricht das für seine Qualität.
Mein Favorit: „Europe By Rail“ von Nicky Gardner und Susanne Kries
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Von einem Klassiker kann man ohne Zweifel bei Europe By Rail sprechen. Es trägt den Untertitel „The Definitive Guide For Independent Travellers“ – und hält dieses Versprechen mühelos.
Hinter dem Werk stehen das Berliner Autorinnenduo Nicky Gardner und Susanne Kries, die bis 2023 das Magazin Hidden Europe herausgaben. Ihr tiefes Wissen und ihre Liebe zum Zugreisen durch Europa sind auf jeder Seite spürbar. Das Buch wird alle paar Jahre umfassend aktualisiert und ist im Oktober 2024 in der 18. Ausgabe erschienen.
Was macht das Buch so besonders?
Europe by Rail bietet 50 inspirierende Zugrouten quer durch Europa. Es geht nicht um die schnellste Verbindung von A nach B, dafür gibt es schließlich Fahrpläne und Apps. Stattdessen haben sich die Autorinnen dem langsamen Reisen verschrieben. Sie legen bewusst Umwege ein, die sich lohnen – mal aus historischer Sicht, mal entlang grandioser Landschaften oder durch charmante Kleinstädte.
Die Routen sind nicht nur bloße Wegbeschreibungen, sondern enthalten Geschichten, Hintergrundwissen und Geheimtipps. Ob Kurztrip oder mehrtägige Reise – stets gibt es eine Empfehlung für einen Reiseplan mit lohnenswerten Zwischenstopps und Übernachtungen. Abgerundet wird das Buch von einem Anhang mit Tipps zum Zugreisen in den verschiedenen Ländern Europas.
Gardner und Kries kennen die europäischen Eisenbahnen wie kaum jemand sonst. Ihr Buch ist eine Fundgrube für Geschichten, Eisenbahnkultur und spannende Details, die weit über das Praktische hinausgehen. Ich kenne wenige Bücher, die so prall gefüllt sind mit Inspiration und Wissen.
Für den sich das Buch lohnt – und für wen nicht
Europe By Rail ist ein Buch zum Schmökern und darin Versinken. Es richtet sich vor allem an Reisende, die sich für die Geschichte und Kultur des Zugreisens begeistern. Wer es aufschlägt, reist sofort mit – auch vom Sofa aus. Die lebendige Sprache macht Lust auf Abenteuer, selbst wenn man die Tour nur gedanklich unternimmt.
Wer dagegen detaillierte Fahrpläne, Preisvergleiche oder praktische Ticket-Tipps sucht, könnte enttäuscht sein. Auch für den „Coffee Table“ ist es nicht gedacht – Europe By Rail ist textorientiert, und die einfach gehaltenen Karten sowie wenigen Fotos sind lediglich Beiwerk.
Noch ein wichtiger Punkt: Aktuell ist das Buch nur auf Englisch erhältlich. Die Beschreibungen sind detailreich und wortgewaltig, das Vokabular geht über einfaches Schulenglisch hinaus.
Alternativen
- Europa mit dem Zug (Reisedepeschen)
Wer einen deutschsprachigen Zugreiseführer sucht, wird bei diesem wunderschön gestalteten Band aus dem Berliner Reisedepeschen Verlag fündig. Statt einzelner Routen führt das Buch Land für Land auf eine kleine Europareise. Es bietet nicht die Tiefe von Europe By Rail, dafür aber einen besseren Überblick. Oh, und das Kapitel zum Thema Zugreisen in Finnland durfte ich beisteuern. 🙂 - Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen (Piper)
Der Titel täuscht etwas: Es handelt sich nicht um ein praktisches Handbuch, sondern um eine Liebeserklärung an das Zugreisen. In seiner unverwechselbaren Art erzählt der tschechische Autor Jaroslav Rudiš von Schienenabenteuern in ganz Europa. Und das ist wirklich inspirierend: Mit seinem großen Herz für die Eisenbahn macht Rudiš Lust, sich selbst einmal in diese Züge zu setzen und zu diesen Orten zu pilgern.
3. Ein Kursbuch
Nun haben wir Karten studiert und eine tolle Route im Kopf. Bleibt die entscheidende Frage: Welche Züge fahren dort überhaupt – und wann? Hier kommt ein Kursbuch ins Spiel.
Viele Zahlen, hauchdünnes Papier und ein Relikt aus einer anderen Zeit – Kursbücher und Telefonbücher haben viel gemeinsam. Doch während ich schon lange keine Telefonnummer mehr nachgeschlagen habe, greife ich auch 2025 noch häufig zum Kursbuch. Ein Kursbuch ist eine Sammlung von Fahrplantabellen, meist für ein ganzes Land. Die klassische Tabellenform – Bahnhöfe vertikal, Züge horizontal – ist in Sachen Übersichtlichkeit unübertroffen. Auf einen Blick sieht man Fahrzeiten, Taktfolgen und die eingesetzten Zugtypen.
Das Internet hat dem Kursbuch ein ähnliches Schicksal beschert wie dem Telefonbuch: In den letzten 20 Jahren haben die meisten Bahnen ihre gedruckten Ausgaben eingestellt. Es gibt jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme, und genau diese möchte ich euch ans Herz legen.
Letzter seiner Art und ein echter Klassiker: „European Rail Timetable“
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Der European Rail Timetable, auf Deutsch auch als Europäisches Kursbuch bekannt, ist genau das: ein Kursbuch für ganz Europa. Natürlich sind nicht alle Bahnstrecken enthalten – das würde jeden Rahmen sprengen. Doch es sind sehr, sehr viele. Ich würde sagen, dass er mehr als 95 Prozent dessen abdeckt, was ein erfahrener Zugreisender benötigt. Konkret: rund 600 Seiten, 50.000 Zugverbindungen sowie Tipps für landschaftlich schöne Strecken und praktische Infos zu den Reiseländern.
Beim „ERT“ handelt es sich um ein echtes Stück Eisenbahngeschichte. Seine Wurzeln reichen zurück bis zu den legendären Cook’s Timetables, die der britische Reise-Pionier Thomas Cook erstmals 1873 herausgab. Seitdem erscheint er fast ohne Unterbrechung. In der Zugpost hatte ich im Frühjahr 2024 bereits darüber berichtet – damals schien es, als könnte die Veröffentlichung nach über 150 Jahren eingestellt werden. Doch es gibt gute Nachrichten: Inzwischen wurde ein Käufer gefunden, und die Zukunft ist vorerst gesichert.
Gedruckt erscheinen pro Jahr zwei Hauptausgaben des European Rail Timetable – eine im Sommer und eine im Winter, jeweils zum Fahrplanwechsel. Wer es aktueller braucht, kann zur monatlichen digitalen Ausgabe greifen, die alle Fahrplanänderungen berücksichtigt. Produziert wird das Kursbuch bis heute in Großbritannien. Im regulären Buchhandel ist es nicht immer leicht zu finden, darum empfiehlt sich der direkte Bezug beim Verlag.
Der European Rail Timetable erscheint ebenfalls ausschließlich auf Englisch. Doch keine Sorge: Es handelt sich schließlich vor allem um Zahlen und Tabellen, gehobene Sprachkenntnisse sind nicht nötig.
Alternativen? Gibt es praktisch keine. Der European Rail Timetable ist der letzte seiner Art – und für Liebhaber gedruckter Fahrpläne ein unverzichtbares Stück Reisegeschichte.
Das waren meine liebsten analogen Werkzeuge zur Planung von Zugreisen. Wie sieht es bei euch aus? Greift ihr auch noch zu Karten und Büchern? Was sind eure Favoriten? Schreibt mir gerne einen Kommentar!
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