Auf ein schnelles Bier im Stehen

In Tschechiens Speisewagen lässt sich vorzüglich dinieren. Aber gilt das auch für das Bordbistro im modernen Pendolino der Tschechischen Bahn? Eine kulinarische Testfahrt von Pilsen nach Cheb.

Auf ein schnelles Bier im Stehen
Auch im modernen Bistro wird das Bier klassisch gezapft. Na zdraví!

Tschechien ist ein Paradies für Bahnromantiker. In herrlich aus der Zeit gefallenen Schienenfahrzeugen, die Spitznamen wie „Brotbüchse“ tragen, lassen sich ganze Tage auf den verschlungenen Bahnstrecken Böhmens und Mährens verbringen.

Doch auch dieser Sehnsuchtsort bleibt von den neuen Zeiten nicht unberührt. Der Stolz der modernen tschechischen Bahn ist der Pendolino. Tschechiens Antwort auf ICE und TGV ist zwar nicht ganz so schnell, das gibt das tschechische Schienennetz nicht her, dafür hatte der Kurvenflitzer sogar schon bei James Bond seinen Auftritt. Zwischen Pilsen und Cheb hatte ich die Gelegenheit, den Zug für ein kurzes Stück zu testen. Perfekt für einen Besuch im Bordbistro.

Essen statt Speisen

Als ich den Bistrowagen erreiche, stapeln sich auf der Theke benutzte Teller, Tassen und Gläser. Dies ist das Ergebnis einer Fahrt quer durch Tschechien, die heute Morgen nahe der polnischen Grenze in Bohumín begann. Das nüchterne Interieur lädt nicht gerade zum Verweilen ein. Alles sagt: Hier wird nicht gespeist, sondern gegessen. Noch wahrscheinlicher allerdings: getrunken. Dominierendes Element ist der Zapfhahn, der majestätisch über der Theke thront.

Dahinter wirbeln zwei Mitarbeiter, später kommt noch die Dame mit dem Catering-Wägelchen dazu. Alle drei sind kaum älter als zwanzig. Sorgen um Nachwuchs muss man sich bei der tschechischen Bahn nicht machen, die Belegschaft gehört zu den jüngsten in ganz Europa.

Pendolino der Tschechischen Bahn am Bahnsteig
Einfahrt des Pendolino im Hauptbahnhof von Pilsen
Einstiegstür zum Bordbisto im Pendolino der Tschechischen Bahn
Hereinspaziert, hier geht's ins Bordbistro

Im Bordbistro selbst gibt es nur Stehplätze, denn eigentlich ist im Pendolino Am-Platz-Service vorgesehen. Das erinnert nicht nur zufällig an den Luftverkehr: In vielerlei Hinsicht gilt das Flugzeug den europäischen Bahnen als zweifelhaftes Vorbild für ihre modernen Triebzüge. Ich bleibe dennoch an der Bar. Hier schaukelt es ganz schön, schließlich befinde ich mich in einem Fahrzeug mit Neigetechnik. Szenen aus dem Film „Das Boot“ kommen mir in den Sinn, als die Mitarbeiter mit dem Geschirr um mich herum jonglieren.

Bier und Braten gut

Das erste Bier glättet die Wogen ein wenig, jedenfalls die in meinem Kopf. Dazu habe ich mir Svíčková bestellt, den Klassiker der tschechischen Bordgastronomie. Im Gegensatz zum vollwertigen Speisewagen, wie er zum Beispiel im Eurocity zwischen Berlin und Prag zum Einsatz kommt, führt in dieser Küche allerdings die Mikrowelle das Regiment. Gearbeitet wird nach dem Baukasten-Prinzip: Aus Plastiktütchen landen die einzelnen Komponenten auf dem Teller, noch ein Klecks Preiselbeermarmelade und zack, fertig: böhmischer Rinderbraten.

Wie zur Entschuldigung liegen sechs statt der üblichen fünf Knödel im Saucenbad auf meinem Teller. Es schmeckt wie immer gut. Nur mit dem Fleisch ist es so eine Sache. Meine Erfahrungen schwanken zwischen überragend und ungenießbar, weil zäh. Heute ist es eher mittelmäßig, also durchwachsen.

Ein Teller mit Lendenbraten, Knödeln und Rahmsauce, dazu ein Glas mit Bier
Svíčková, Lendenbraten mit Rahmsauce und Knödeln

Das Essen im Stehen ist etwas ungewohnt, aber möglich. Derweil gesellt sich ein kleines Grüppchen zu mir. Sie machen das, was man in Tschechien eben so macht, wenn ein Zapfhahn in der Nähe ist: Man trinkt ein schnelles Bier und zieht weiter.

Nach dem Essen gönne ich mir noch eine Art Espresso. Da haben die Drei vom Bordbistro schon längst ihre Abrechnung gemacht und sind zur Personalverpflegung übergegangen, es gibt Suppe und Würstchen. Kurze Zeit später erreichen wir Cheb unweit der deutschen Grenze. Hier lässt sich noch wunderbar die andere Seite der tschechischen Eisenbahn erleben – ein uriges Bahnhofsrestaurant, das im besten Sinne als Spelunke bezeichnet werden kann.

Fazit

Für ein schnelles Bier im Stehen ist das Bordbistro im tschechischen Pendolino durchaus geeignet. Zum richtigen Essen und Genießen jedoch bleibt der gemütliche Eurocity im Elbtal das Maß der Dinge.

2 von 5 rollenden Sternen.


Infos kompakt

Strecken

Der Neigetriebzug „Pendolino“ der Tschechischen Bahn pendelt als SuperCity mehrmals am Tag zwischen Bohumín, Prag und Karlovy Vary (Karlsbad) sowie einmal täglich auf der Strecke von Prag nach Košice in der Slowakei. Weitgehend baugleiche Züge sind auch in Slowenien, Italien und Finnland unterwegs.

Bierpreis-Index

Ein frisch gezapftes Pilsner Urquell (0,3 l) kostet 59 Tschechische Kronen, umgerechnet sind das 2,60 Euro (Stand Juli 2024).

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf dem Blog „Train Tracks“ und ist bei der Zugpost archiviert.