Ein Mann steht vor seiner Datsche und wundert sich. Unser internationaler Schnellzug ist in seinem Vorgarten zum Stehen gekommen, so scheint es. Er zuckt mit den Schultern, dann wendet er sich wieder seinen Holzscheiten zu.

Manchmal mag ich es, nicht den gewöhnlichen Weg zu gehen. Der gewöhnliche Weg von Košice nach Wien führt einmal quer durch die Slowakei, vorbei an der Hohen Tatra und tiefblauen Seen. Noch ein Hüpfer im Regionalzug von Bratislava, und schon steht man am Hauptbahnhof. Keine Frage, eine schöne Fahrt. Doch heute stand mir der Sinn nach einem kleinen Abenteuer.

Dieses Abenteuer hat mich ins platte Niemandsland zwischen der Slowakei und Ungarn geführt. Hier, abseits der Hauptachsen, fährt ein Zug, der mich schon lange gereizt hat: der Eurocity Hornád von Košice nach Budapest. Eine Zugfahrt an den Rand dessen, was man gemeinhin so Mitteleuropa nennt.

Vor ein paar Jahren wurde der Verkehr sogar ausgebaut, seitdem fährt alle zwei Stunden ein Zug über die Grenze. Zwischen Budapest und Wien sind die Verbindungen ohnehin gut. Warum also nicht mal auf einen Streifzug gehen?

Klapperzug ab Košice

Dass Eurocity ein großes Wort ist, wird mir in Košice schnell klar: drei etwas klapprige rot-weiße Wägelchen stehen da am Morgen an einem Außenbahnsteig. Vom 1.-Klasse-Wagen, in dem sich mein Platz befinden soll, keine Spur. Von Verpflegung für die vierstündige Fahrt ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass der Zug nicht gerade ausgelastet ist. Ich habe nicht nur ein Abteil für mich allein, sondern gleich den ganzen Wagen.

Bahnhof von Kosice
Bahnhof von Košice am Morgen

Die Zugbegleiterin scannt mein Interrail-Ticket, so modern ist es dann doch. Über die obligatorische Reservierung, die ich bei der slowakischen Bahn gebucht habe, verliert sie kein Wort. Dass man ausgerechnet für diesen Zug einen Aufpreis zahlen muss, ist ihr wohl selbst ein wenig unangenehm.

Wir rollen los, vorbei an Plattenbauten und grauen Schornsteinen. Košice ist eine Stadt, die unter ihrer Lage leidet. Eingezwängt zwischen Polen, der Ukraine und Ungarn, inmitten einer der ärmsten Gegenden Europas.

Die schmucke Altstadt rund um den Dom und das Nationaltheater erzählt von anderen Zeiten. Besseren Zeiten? Das alte Kaschau jedenfalls lag nicht am Rand, sondern war als Teil Ungarns stolze Provinzstadt im Riesenreich der Habsburger.

Altstad von Košice mit Elisabeth-Dom
Die Altstadt von Košice erzählt von vergangenen Zeiten

Aus der k. und k. Zeit stammt auch unsere Bahnstrecke nach Miskolc und weiter nach Budapest. Überhaupt kam die Eisenbahn aus dieser Richtung nach Košice, nicht etwa aus dem Westen. Die Strecke nach Žilina und Bratislava, heute der wichtigste Schienenstrang der Slowakei, wurde erst später gebaut.

Kleiner Grenzverkehr

Nach einer halben Stunde Fahrt passieren wir unbemerkt die Grenze. Auffällig ist nur der Müll, der überall herumliegt. Offenbar fühlt sich hier, zwischen den Ländern, niemand zuständig.

Der erste Bahnhof in Ungarn heißt Hidasnémeti. Ein Schuhkarton aus Beton, verschnörkelte Sitzbänke auf dem Bahnsteig. Ein ungarischer Schaffner mit Schnauzbart steigt zu, Tüten und Ikea-Regale werden aus dem Zug geschleppt. Es ist vor allem kleiner Grenzverkehr, der sich hier abspielt.

Blick auf die Strecke zwischen Košice und Budapest
Im Niemandsland zwischen der Slowakei und Ungarn

Die Strecke folgt lose dem Lauf des Flusses, der dem Zug seinen doppelten Namen gibt: Hornád auf Slowakisch, Hernád auf Ungarisch. In Miskolc, dem Zentrum Nordostungarns, ruckt es einmal kräftig. Weitere Wagen aus einer unaussprechlichen Stadt namens Sátoraljaújhely werden angehängt. Nach kurzem Aufenthalt geht es weiter Richtung Hauptstadt.

Fern am Horizont ziehen Bergketten vorbei. Keine Tatra, aber doch: mit rund 1000 Metern immerhin die höchsten Gipfel Ungarns. Die Strecke macht allerdings einen weiten Bogen um sie herum; die karge Landschaft direkt vor dem Fenster lädt eher dazu ein, sich der Reiselektüre zu widmen.

Kathedrale Budapest-Keleti

Als ich wieder aufblicke, sind wir schon in den Vororten von Budapest. Und dann ist es so weit: Wir erreichen den Bahnhof Keleti. Neben der Lust an etwas abseitigen Routen ist es vor allem das Wiedersehen mit dieser Schienenkathedrale, das mich auf den Abstecher nach Ungarn gelockt hat.

Menschen eilen durch den Bahnhof Budapest-Keleti
Angekommen am Lieblingsort Budapest-Keleti

Und was hier schon wieder los ist! Links ist gerade ein Nachtzug aus Rumänien angekommen, rechts stehen Wagen aus Polen und Tschechien, dazwischen unser Zug aus der Ostslowakei.

Die tiefstehende Märzsonne taucht die Gleishalle in ein tolles Licht. Darüber legt sich die mystische Fanfare, die die Ansagen ankündigt. Und wie immer ist es ein großes Gewusel. Ich will das in Ruhe aufsaugen. Darum steige ich nicht in den nächsten Zug nach Wien, der in einer Dreiviertelstunde abfährt, sondern habe etwas Aufenthalt an diesem Lieblingsort eingeplant.

Kaffee und Klappstulle

Als ich irgendwann Lust auf einen Kaffee bekomme, fällt mir ein, dass ich heute ja erstklassig reise – und damit Zugang zur Business Lounge habe. Es ist überhaupt das erste Mal, dass ich mit einem Interrail-Pass der 1. Klasse unterwegs bin. Diese Welt mit ihren Annehmlichkeiten ist mir noch ein wenig fremd.

Zögerlich schleiche ich um die unscheinbare Tür herum, hinter der sich der Warteraum der Geschäftigen und besser Betuchten befinden soll. Fast schon konspirativ wirkt das. Am Empfang muss ich dann aber kein Codewort aufsagen, sondern nur vorweisen, dass ich für den heutigen Tag eine Reservierung habe. So waren die paar Euro doch noch für etwas gut.

Kaffee und Sandwich in der Business Lounge am Bahnhof Budapest-Keleti
Kleine Stärkung in der Lounge der ungarischen Bahn

Das Herz der Lounge ist eine kleine Bar. Die Bedienung macht nicht nur einen vorzüglichen Kaffee, sondern serviert mir auch ein warmes Sandwich. Dazu gibt es Internet, Steckdosen und eigene Toiletten – ja, so zu reisen, daran könnte man sich glatt gewöhnen.

Kaiserlich-königlich

Es ist später Nachmittag, als ich wieder am Bahnsteig stehe. Vor mir ein blau-weißer Zug der ungarischen Bahn. Ebenfalls ein Eurocity, diesmal top in Schuss. Es ist kein Zufall, dass ich mir diesen Zug herausgepickt habe.

Der Zugverkehr zwischen Budapest und Wien ist feinsäuberlich aufgeteilt unter den Teilstaaten der einstigen Donaumonarchie: Stündlich im Wechsel fährt entweder der Eurocity oder ein Railjet der ÖBB. Die Fahrzeit ist identisch, aber nur im ungarischen Zug gibt es den anderen Lieblingsort, den ich heute aufsuchen möchte. Doch erstmal steige ich in einen Abteilwagen.

Abteil im ungarischen Eurocity von Budapest nach Wien
Der ungarische Eurocity ist top in Schuss

Die Strecke aus Wien ist auch als Ostbahn bekannt. Als Teil der Eisenbahnmagistrale von Paris nach Istanbul war hier schon der legendäre Orient-Express unterwegs. Und auch heute weht mit dem Nachtzug Dacia nach Bukarest oder den ukrainischen Kurswagen nach Kijew noch ein Hauch von weiter Welt.

Klassiker mit Aussicht

„Das Licht ist kaputt, tut mir leid“, sagt die freundliche Bedienung im Speisewagen. Macht nichts, noch fällt genug vom goldenen Abendlicht durch die Panoramafenster hinein.

Lange habe ich es nicht im Abteil ausgehalten. Der ungarische Speisewagen und ich, das ist eine besondere Geschichte. Nicht zuletzt er und einer seiner Köche sind dafür verantwortlich, dass ich das Zugreisen überhaupt erst für mich entdeckte und auf meine erste große Zugfahrt durch Europa ging.

Die Zugreise meines Lebens
Wie ich vor zehn Jahren das Zugreisen lieben lernte. Und was Josef, der Koch im ungarischen Speisewagen, damit zu tun hat. Meine ganz persönliche Geschichte mit der Eisenbahn.

Ein paar Jahre später war ich schon einmal zwischen Budapest und Wien zu Gast. Ein grauer Novembertag, trüb wie die Stimmung an Bord. Der Kellner ließ die Schultern hängen. Der Grund: Nur wenige Tage später, zum Fahrplanwechsel, sollten die Restaurants aus den Zügen verschwinden.

Zum Glück hat sich das Blatt gewendet und die ungarische Bahn ist wieder stolz auf ihre Bordgastronomie. Auf der Karte stehen inzwischen auch Burger und Pommes, ich halte mich aber an einen Klassiker: Paprikahuhn mit Nockerln, dazu ein alkoholfreies Bier. Noch bevor das Essen kommt, springt plötzlich das Licht an. Offenbar hat jemand den richtigen Schalter gefunden.

Paprikahuhn mit Nockerln im ungarischen Speisewagen
Es schmeckt wie immer verzüglich!

Für ein Stück geht es direkt an der Donau entlang, die hier Staatsgrenze zur Slowakei ist, dann erreichen wir Győr. Vom brutalistischen Bahnhofsgebäude, in dem die Abfahrtstafel wohl schon seit finsteren Ostblock-Zeiten vor sich hin tickert, sollte man sich nicht täuschen lassen: Győr ist eine wunderschöne Barockstadt, die einen Zwischenstopp unbedingt lohnt.

Als ich beim Kaffee sitze, geht Polizei durch den Zug. Wir haben Österreich erreicht. Ich zahle eine astronomische Summe in ungarischen Forint, die sich später als knapp 20 Euro entpuppen sollte – ein fairer Preis für ein Essen mit Aussicht. Bald darauf rollen wir in den Wiener Hauptbahnhof ein.

Was bleibt? Auch wenn es ist vielleicht keine umwerfend schöne Strecke ist: Es lohnt sich, auch einmal einen Blick in diese Ecke Europas zu werden. Und wer ein Herz für grandiose Bahnhöfe oder Appetit auf einen der besten Speisewagen hat, macht mit der Fahrt über Budapest nichts verkehrt.


Praktische Tipps

Fahrplan

Zwischen Košice und Budapest verkehrt alle zwei Stunden ein Zug der slowakischen Bahn ZSSK. Die Fahrt dauert vier Stunden. Von Budapest nach Wien wechseln sich stündlich ein Eurocity der ungarischen Bahn MÁV und ein Railjet der ÖBB ab. Die Fahrzeit beträgt gut 2,5 Stunden.

Tickets

Zwar bieten die ÖBB auch durchgehende Tickets von Košice nach Wien via Budapest an, günstiger wird es aber, wenn ihr das Ticket splittet: Von Košice nach Budapest empfiehlt sich das Angebot „Europa Expres“ der slowakischen ZSSK, von Budapest nach Wien ein Sparpreis der ungarischen MÁV.

Interrail gilt auf der gesamten Strecke. Zwischen Košice und Budapest ist eine Reservierung nötig, die gibt es auf zssk.sk.

Komfort an Bord

Zwischen Košice und Budapest verkehren slowakische Wagen verschiedenen Alters. Bordgastronomie gibt es auf dieser Strecke keine, also vorher eindecken!

Im Eurocity zwischen Budapest und Wien kommen modernisierte Großraum- und Abteilwagen der MÁV zum Einsatz. Highlight ist der vollwertige Speisewagen mit klassischer Küche und Barbereich. Guten Komfort bietet auch der Railjet der ÖBB, allerdings gibt es hier lediglich ein kleines Bordbistro.