Finnland, ist das nicht platt wie ein Pfannkuchen? Wer einmal auf dem Koli stand, hat dieses Vorurteil längst vergessen. Koli ist ein Berg in Nordkarelien, ganz im Osten von Finnland, und das Herz des gleichnamigen Nationalparks. In Metern gemessen mag Koli wenig spektakulär erscheinen, der atemberaubende Ausblick auf den Pielinen-See hat dagegen noch jeden begeistert. Kein Wunder, dass Koli als nationales Symbol gilt, die wohl finnischste aller Landschaften.

Wie viele Nationalparks in Finnland ist Koli nur schlecht an den öffentlichen Verkehr angebunden. Eigentlich. Denn es gibt einen Trick, wie sich Koli im Sommer besonders elegant erreichen lässt. Was es damit auf sich hat, warum sich die Reise lohnt und was es sonst noch in Finnland mit dem Zug zu entdecken gibt, erfahrt ihr in dieser Zugpost.

Koli in Finnland: Natur, Legenden und eine Anreise mit Charme

Koli (sprich Kolli) liegt am westlichen Ufer des Pielinen, dem viertgrößten See Finnlands. Joensuu, die größte Stadt im dünn besiedelten Nordkarelien, ist gut 60 Kilometer entfernt. Der höchste Punkt von Koli, der Gipfel Ukko-Koli, ist zwar nur 347 Meter hoch, überragt den See und das flache Hinterland aber bei Weitem.

Schöpferin dieser einzigartigen Szenerie ist wie so oft in Finnland die Eiszeit. Während die Gletscher sich zurückzogen und die Umgebung abschliffen, konnten sie dem harten Quarzit von Koli nichts anhaben. Seit 1992 ist die Landschaft als Nationalpark besonders geschützt.

Aber Koli ist mehr als das. Seit jeher ranken sich Sagen und Legenden um den mystischen Fels. Ab dem 19. Jahrhundert kamen die Künstler nach Koli und ließen sich von der Gegend und ihren Geschichten inspirieren. Sie legten den Grundstein für die Nationalromantik und trugen damit zur inneren Einheit Finnlands bei, die 1917 in der Unabhängigkeit Vollendung fand. Zu den berühmtesten Besuchern zählen der Maler Eero Järnefelt, dessen riesiges Gemälde von Koli den Hauptbahnhof von Helsinki ziert, und der Komponist Jean Sibelius, der sich angeblich sogar ein Klavier auf den Gipfel tragen ließ. In den Fußstapfen der Romantiker wandeln heute Wanderer und Touristen, die sich dem Blick auf den Pielinen mit seinen bezaubernden Inseln ebenso wenig entziehen können.

Kurzum: Wer Finnland liebt, muss einmal auf den Koli klettern. Aber wie hinkommen? Vor allem, wenn man keine Lust hat, ins Auto zu steigen. Als jemand, der sich zum Ziel gesetzt hat, alle – mitunter sehr abgelegenen – Nationalparks in Finnland zu besuchen, weiß ich nur zu gut, dass das eine echte Herausforderung sein kann.

Karte: Mit dem Zug von Turku über Helsinki und Joensuu nach Vuonislahti

Doch bei Koli gibt es einen besonderen Kniff. Zumindest im Sommer. Und der geht so: Am anderen Ufer des Pielinen verläuft die Bahnstrecke von Joensuu nach Nurmes. Zweimal am Tag holpert hier ein Schienenbus übers Gleis – und hält in Vuonislahti, einem winzigen Nest von kaum 200 Seelen. Der Clou: In den Sommermonaten schippert von Vuonislahti eine kleine Fähre über den See und bringt Ausflügler nach Koli. Der Fahrplan ist sogar an den Zug angepasst. Diese Route ist nicht nur äußerst charmant, sondern geradezu klassisch: Lange bevor die Straße von Joensuu gebaut wurde, pilgerte nämlich so die Prominenz über den Pielinen nach Koli.

Keine Frage, das müssen wir einmal ausprobieren. Also steigen meine Freundin und ich am letzten Julitag am anderen Ende von Finnland in den Zug.

Zugfahrt nach Nordkarelien

Unsere Reise beginnt in Turku. Oder genauer gesagt: in Kupittaa. Wegen Bauarbeiten starten hier, am östlichen Stadtrand, seit einem Jahr die Züge nach Helsinki. Das Gleis zum eigentlichen Bahnhof Turku sowie den Hafenbahnhof ist unterbrochen. Immerhin: Wer morgens mit der Fähre aus Stockholm ankommt, kann mit einem Busshuttle nach Kupittaa fahren.

Die erste Etappe führt durch das ländliche Südwestfinnland. Eine sanft wellige Landschaft, in die jemand eine Handvoll roter Holzhäuser gestreut hat. Hinter Salo, der einstigen Nokia-Stadt, schaukeln sich die grünen Wellen zu beachtlichen Hügeln auf, und wir werden immer wieder von kurzen Tunneln verschluckt. Wie war das nochmal mit den Vorurteilen?

Intercity am Bahnhof Pasila
Die hervorragenden Doppelstock-Züge in Finnland begeistern immer wieder

Der Zug ist ein klassischer Intercity mit Doppelstockwagen. Auch nach der x-ten Fahrt begeistern uns diese noch. Trotz Zweistöckigkeit bleibt genug Platz für Reisende und Gepäck, dem Breitspurprofil sei Dank. Doch was die finnischen Züge wirklich so gut macht: Es ist an die Bedürfnisse aller gedacht. Da ist das Tierabteil in Wagen 1, der komfortable Ekstra-Bereich in Wagen 2 und natürlich die berühmte Kinderspielecke in Wagen 4. Auch ein Mehrzweckbereich für Fahrräder und Rollstühle fehlt nicht. Und wer auf das Telefonieren im Zug nicht verzichten mag, kann dies in einer Telefonkabine zumindest diskret erledigen. Dazwischen klemmt sich mit Wagen 3 das Ravintolavaunu, also der Speisewagen, der in fast allen Fernzügen mit dabei ist. Doch dazu später mehr.

Wir steigen in Pasila um, den geschäftigen Umsteigebahnhof im nördlichen Zentrum von Helsinki. Der Bahnhof wurde unlängst zum dritten Mal komplett neu gebaut und geht nun in ein modernes Einkaufszentrum über. In der Passage über den Bahnsteigen geht es dagegen klassisch zu: Marktstände biegen sich unter Erdbeeren und frischen Erbsen, die hier nicht in Kilo und Gramm, sondern literweise verkauft werden. Sommer in Finnland.

Von Pasila könnten wir direkt bis Joensuu durchrauschen, eine schöne, lange Fahrt. Wir dagegen unterbrechen unsere Reise noch einmal kurz in Lahti für einen Stadtrundgang. So viel Flexibilität ist möglich, weil wir mit dem Lomalippu reisen, dem Sommerticket der finnischen Bahn. Das ist wie ein Mini-Interrail für Finnland, nur günstiger.

Aussicht aus dem Zugfenster in Finnland
Mit dem Zug durch die finnische Seenplatte

Und besser. Das Lomalippu ist nämlich perfekt in die hervorragende App der finnischen Bahn integriert. Mit einem Fingertipp können wir so unseren Wunschplatz auswählen oder – gegen einen kleinen Aufpreis – ein Fahrrad dazu buchen. Selbst ein Upgrade in die Ekstra-Klasse ist möglich, sogar noch während der Fahrt. Das ist wirklich toll gelöst und macht Spaß.

Nach der Runde durch Lahti beißen wir am Bahnhofskiosk noch schnell in ein Hot Dog und springen dann in den nächsten Intercity, diesmal wirklich nach Joensuu. Es geht nun einmal die finnischen Seenplatte entlang. Immer wieder blinkt Wasser vor dem Fenster auf, dazwischen recken sich Birken dem hellblauen Himmel entgegen. Der größte aller Seen heißt Saimaa. An seinem Ufer liegt Lappeenranta, wo wir unlängst ein urgemütliches Bahnhofscafé entdeckt haben. Heute lassen wir es jedoch ebenso an uns vorbeiziehen wie Imatra mit seinen weltberühmten Stromschnellen.

Reisekultur auf Finnisch

Kurz vor Parikkala, wo die Bahnstrecke nach Savonlinna abzweigt, nähern wir uns der russischen Grenze bis auf wenige hundert Meter. Wir sitzen mittlerweile im Speisewagen. Wie in Finnland üblich, haben wir am Tresen bestellt und bezahlt, das Essen wird dann an den Tisch gebracht. Das mag aus mitteleuropäischer Sicht ungewöhnlich erscheinen, ist aber gnadenlos effizient. Kein umständliches Um-die-Rechnung-Bitten, keine Verrenkungen bei der Bezahlung – ein Piep, und die Sache ist erledigt.

Ich habe mich für einen Klassiker entscheiden, die finnische Lachssuppe, die hier in keiner übermäßig großen Portion, dafür mit reichlich Einlage serviert wird. Es schmeckt wie immer gut. Auch meine Freundin ist zufrieden mit ihrem Favoriten, den Salat mit Lachs und Tzatziki. Für beide Hauptgerichte zahlen wir zusammen keine 25 Euro, ein fairer Preis für diesen Teil Europas. Schnell noch ein Kaffee, und schon rollen wir in Joensuu ein.

Finnischer Speisewagen
Keine Zugfahrt ohne Besuch im Speisewagen
Lachssuppe und Salat im finnischen Speisewagen
Lachssuppe und Salat schmecken wie immer gut

Es folgt, was anderswo wohl für Schweißperlen auf der Stirn gesorgt hätte: Ein Acht-Minuten-Umstieg, von einem langlaufenden Fernzug. In Joensuu aber klappt der wie am Schnürchen. Natürlich, denn erstens sind wir pünktlich und zweitens hat der Dieseltriebwagen, der mit blubberndem Motor am Bahnsteig wartet, im Wesentlichen genau diese eine Aufgabe: Reisende aus dem Helsinki-Zug aufnehmen und nach Lieksa und Nurmes befördern. Letzteres ist der Endpunkt des Personenverkehrs in dieser Ecke Finnlands.

Die Dieseltriebwagen, die das spärliche Nebenbahnnetz bedienen, sind in Finnland nicht gerade beliebt. Das Problem ist die Kapazität: Da sie zumeist nur in Einzeltraktion fahren und das nur wenige Male am Tag, wird es schnell voll. Wir haben die grün-weißen Züge mit ihrer rundlichen Front – bei uns laufen sie unter dem Spitznamen Zuggini – trotzdem in unser Herz geschlossen, versprühen sie doch einen Hauch Eisenbahnromantik im modernen Finnland. Wir klappen das Fenster auf, die Gardinen flattern im Fahrtwind.

Dieseltriebwagen der finnischen Bahn
Mit dem Dieseltriebwagen der finnischen Bahn geht es nach Vuonislahti

Die Fahrt nach Vuonislahti dauert knapp eine Stunde. Zweimal halten wir kurz irgendwo im nirgendwo, ansonsten ist es die Wildnis Nordkareliens, die vor dem Fenster vorbeizieht. Kurz vor dem Ziel breitet sich das erste Mal der Pielinen vor uns aus, am gegenüberliegenden Ufer zeichnen sich die Zacken der Koli-Berge im Abendlicht ab – magisch!

Vuonislahti und Gasthof Herranniemi

Würde man es nicht besser wissen, man käme wohl nie auf die Idee, dass in Vuonislahti ein Zug hält. Das kleine Bahnhofsgebäude, längst in Privatbesitz, verfällt vor sich hin, einen Fahrplan oder Ticketautomaten gibt es nicht. Lediglich das Stationsschild, das etwas verloren von einem Laternenmast baumelt, gibt einen Hinweis. Begrüßt werden wir nur von den Mücken, die sich doch recht zahlreich in dieser Gegend tummeln.

Und doch: Das winzige Vuonislahti wirkt auf Anhieb schräg-sympathisch. Eigentlich ist es nur eine Handvoll Holzhäuser, die sich um die alte Schule gruppieren. Heute versorgt hier ein Café mit Dorfladen Einheimische und Durchreisende. Eine Brücke führt über den kurzen Wasserzug, der den Pielinen mit einem Nebenbecken verbindet und Vuonislahti so zur Halbinsel macht. Flaggen mit dem Gemeindewappen hängen stolz im Wind, selbst eine kleine Sitzecke mit Blumen hat jemand aufgestellt.

Bahnhof Vuonislahti
Bahnhof Vuonislahti an der Bahnstrecke von Joensuu nach Nurmes
Stationaschild Vuonislahti
In Vuonislahti halten zwei Züge pro Tag und Richtung

Und dann ist da natürlich noch unsere Unterkunft. Der Gasthof Herranniemi liegt direkt am See, wir erreichen wir nach einem kurzen Fußmarsch über die Hauptstraße. Ein Gutshaus in strahlendem Gelb, dazu ein paar Nebengebäude, in Rot und aus Holz. In einem solchen kommen wir unter.

Den Rest des Abends verbringen wir am Wasser. Zum Gasthof gehört ein Badesteg und eine Panorama-Grillhütte mit großen Glasfenstern. Die Stille ist ohrenbetäubend. Gestört wird sie höchstens einmal von einem Hecht, der uns stolz seine Sprungkünste präsentiert. Irgendwann versinkt die Sonne im Pielinen und taucht Koli auf der anderen Seite in ein magisches Licht – es ist einer dieser Abende, die aus dem Reiseprospekt ausgeschnitten sein könnten.

Abendstimmung am Pielinen
Ein Abend am See, im Hintergrund zeichnen sich die Gipfel von Koli ab

Am nächsten Morgen erwartet uns ein umwerfendes Frühstück. Bei selbstgebackenem Roggen- und Sauerteigbrot wird uns klar, warum die Menschen in Nordkarelien als Finnlands beste Bäcker gelten. Dazu gibt es Pesto aus Kräutern vom eigenen Hof.

Während wir essen, blättern wir in einem Heftlein über die Geschichte von Herranniemi. Verblüfft stellen wir fest, dass der Gasthof in den den 1970ern eine regelrechte Interrail-Hochburg war. Großen Anteil daran hatte ein Gästebuch in der Tourist-Info in Kopenhagen, voll mit Tipps und Warnungen für Interrailer. „Wenn du nach Finnland fährst, verpass die Herberge in Vuonislahti nicht. Liegt an der Bahn von Joensuu nach Lieksa,“ war dort zu lesen.

Gasthaus Herranniemi
Der Gasthof Herranniemi in Vuonislahti

Und die Railer kamen, ganz ohne Internet und Smartphone. Kaum vorstellbar aus heutiger Sicht, wo ein solches Abenteuer mangels freier Plätze im reservierungspflichtigen Zug nach Stockholm wohl schon an der schwedischen Grenze zu Ende wäre. Und sie blieben, oft viel länger als geplant. Aus Tagen wurden Wochen, in langen Abenden am See wurden Freundschaften geschlossen – und mehr, zumindest eine Hochzeit ist verbrieft. Besonders schmunzeln müssen wir über Walter aus Stuttgart, den sie hier irgendwann nur noch vakio-Waltteri nennen, den regelmäßigen Walter. Jahr für Jahr kam er nach Vuonislahti zurück, ganze 18 Sommer lang.

Auf nach Koli!

Wir schmieden schon Pläne, es Waltteri gleichzutun, dabei sind wir noch gar nicht am Ziel dieser Reise. Das heißt schließlich Koli. Nach dem Frühstück spazieren wir darum wieder Richtung Bahnhof und dann noch ein kleines Stück weiter die Straße hinunter. Das Schild Satama – Hafen – ist zwar komplett eingewachsen, wir finden den Weg aber auch so.

Naja, Hafen ist für den kleinen Anleger von Vuonislahti reichlich übertrieben. Immerhin haben sich schon ein paar andere Wagemutige eingefunden, wir sind also richtig. Und da taucht auch schon die Fähre am Horizont auf. Die M/S Marival II wurde in den 1960er Jahren in Polen gebaut und kam auf irgendwelchen Wegen in die Wasser Nordkareliens. Ein alter Seebär und sein Matrose nehmen uns in Empfang. Ein kurzer Blick aufs Handyticket, und schon klettern wir an Bord. Ob wir eine einfache Tour nach Koli machen oder hin und zurück schippern, ist egal. Auf dem Pielinen gilt Einheitstarif.

M/S Marival II auf dem Pielinen-See
Mit der M/S Marival II geht es über den Pielinen nach Koli
Schifffahrt über den Pielinen
Der Pielinen ist der viertgrößte See Finnlands und zählt etwa 2000 Inseln
Hafen mit Schriftzug "I ❤️ Koli"
Der Hafen von Koli liegt am nördlichen Ende des Nationalparks

Die Überfahrt führt durch eine wunderschöne Inselwelt. Etwa 2000 große und kleine Eilande gibt es im Pielinen, sie wirken wie zufällig ins blaue Wasser getupft. Der See ist riesig, fast 100 Kilometer lang, aber, wie in Finnland üblich, flach. Gerade einmal 10 Meter beträgt die durchschnittliche Tiefe. Im Bauch des Schiffes verkauft der Matrose Kaffee und Eis, die meisten haben es sich aber auf dem Oberdeck in der Sonne gemütlich gemacht. Es ist ein herrlicher Sommertag, wir haben wirklich Glück mit dem Wetter.

Nach einer Stunde laufen wir in den Bootshafen von Koli am nördlichen Ende des Nationalparks ein. Von hier führt ein zwei Kilometer langer Wanderweg zum Naturzentrum Ukko und den gleichnamigen Gipfel. Es geht steil bergauf, dafür ist der Weg gut ausgebaut und recht leicht zu begehen. Wie wir später lernen, handelt es sich um einen der ältesten ausgezeichneten Wanderwege Finnlands. Schautafeln informieren über die Brandrodung, die hier noch bis ins 20. Jahrhundert üblich war – und zum Erhalt der Tradition bis heute im kleineren Stil praktiziert wird.

Kurz vor dem Gipfel kommen wir am Hotelkomplex vorbei. Hier endet auch der Schrägaufzug, der Übernachtungsgäste und weniger ambitionierte Wanderer vom tiefer liegenden Parkplatz nach oben chauffiert. Auf der anderen Seite, Richtung See, gibt es außerdem einen Sessellift. Vornehmlich für Skifahrer, die im Winter die steilen Hänge von Koli hinabsausen, ist er als Panoramalift auch in den Sommermonaten in Betrieb.

Sessellift im Koli-Nationalpark
Wer schwindelfrei ist, kann Koli auch aus dem Sessellift bestaunen
Wanderweg im Koli-Nationalpark
Im Koli-Nationalpark gibt es Wanderwege für jede Kondition
Informationstafeln im Koli-Nationalpark
Die Nationalparks in Finnland werden von der Forstbehörde Metsähallitus unterhalten

Noch ein paar Treppen, und dann stehen wir auf dem Ukko-Koli. Und was soll man sagen: All die Dichter, Maler und Komponisten haben nicht geirrt – die Aussicht ist atemberaubend. Wir sind allerdings nicht die einzigen, die heute zu dieser Erkenntnis gelangen. Es ist einer der letzten Tage der finnischen Sommerferien, das Wetter gut und Koli ohnehin eines der Top-Reiseziele des Landes. Mit anderen Worten: Es ist ziemlich voll.

Nachdem wir den Blick vom Ukko-Koli ausgiebig genossen haben, machen wir noch eine kleine Gipfeltour und erklimmen den Akka-Koli (339 m) und den Paha-Koli (334 m). Auf den Nebengipfeln ist deutlich weniger los, das Panorama aber ebenso großartig. Von hier könnte man nun auf große Wanderung gehen: Es gibt Rundwege von 30 und 60 Kilometern Länge, auf denen man in die Einsamkeit eines finnischen Nationalparks eintauchen kann. Unterwegs warten Hütten und Feuerstellen – und natürlich ganz viel Natur.

Sebastian auf dem Ukko-Koli
Auf dem Ukko-Koli kann man sich fühlen wie einst Sibelius

So viel Zeit bleibt uns nicht. Aber immerhin: Mit sechs Stunden Aufenthalt ist der Fahrplan der Fähre so bemessen, dass wir uns in aller Ruhe umsehen können. Und auch eine Einkehr im Naturzentrum ist drin. Dort informiert eine Ausstellung über die Natur und Geschichte von Koli. Das Naturzentrum ist auch für die umliegenden Nationalparks Petkeljärvi und Patvinsuo zuständig. Diese sind ebenfalls eine Reise wert, aber wirklich abgelegen und nur über einsame Schotterstraßen zu erreichen. Im Café ist der Mittagstisch eigentlich schon vorbei, die freundliche Bedienung kratzt aber noch die letzten Reste aus dem Suppentopf für uns zusammen. Finnischer Pragmatismus.

Finale am Pielinen

Auf der Rückfahrt dreht der Kapitän ein paar Extraschleifen um die Inseln, so dass die Fahrt fast zwei Stunden dauert. Die letzte Abfahrt des Tages ist bei Urlaubern in Koli als Mini-Kreuzfahrt beliebt. Die Stimmung ist gelassen und gelöst, zu dieser Stunde geht auch das ein oder andere Bier und Glas Wein über den Tresen. Manch einem gefällt es so gut, dass er beinahe den Ausstieg in Vuonislahti verpasst. Die meisten aber bleiben sowieso an Bord und schippern dem Sonnenuntergang entgegen wieder nach Koli zurück.

Wir schließen den Tag mit Sauna und einem weiteren Abend am See ab. Leider müssen wir Vuonislahti am nächsten Morgen schon sehr früh verlassen, so will es der spärliche Fahrplan der finnischen Nebenbahn. Das freundliche Team von Herranniemi hat uns ein Frühstückspaket geschnürt, so müssen wir auf der Rückfahrt wenigstens nicht hungern.

Finale am Pielinen, Ende einer tollen Reise

Als wir noch etwas verschlafen Joensuu entgegen zuckeln, steht unser Entschluss längst fest: Wir kommen wieder! Vielleicht ja schon im Winter. Dann nämlich, wenn der Pielinen unter einer dicken Eisschicht liegt, wird zwischen Vuonislahti und Koli Europas längste Binnen-Eisstraße eröffnet. Neben der eisigen Piste wird eine Langlaufloipe gespurt – noch eine Art, den Koli-Nationalpark ganz ohne Auto zu besuchen.


Praktische Tipps

Wie ist das Zugfahren in Finnland? Welche Nationalparks lohnen sich sonst noch? Und wie kommt man überhaupt ohne Flieger nach Finnland? Hier sind die wichtigsten Antworten!

Koli und Vuonislahti

Der Koli-Nationalpark erstreckt sich über 30 Quadratkilometer am westlichen Ufer des Pielinen-Sees. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netz an Wanderwegen für jede Kondition. Im Winter werden Langlaufloipen gespurt und es gibt spezielle Strecken zum Schneeschuhwandern. In der kleinen Ortschaft Koli (Kolin kylä) am Rand des Nationalparks gibt es einen Supermarkt, ein Restaurant und eine Tourist-Information. Mehr Infos auf koli.fi.

Von Ende Juni bis Mitte September pendelt eine Fähre zwischen Koli und Vuonislahti, wo Anschluss ans Bahnnetz besteht. Eine tolle und preiswerte Unterkunft in Vuonislahti bietet der Gasthof Herranniemi. Gästezimmer gibt es auch in der alten Dorfschule Wanhan Koulun Puoti. Im Winter wird je nach Eislage eine Eisstraße nach Koli eröffnet, üblicherweise von Februar bis April. In warmen Jahren kann es vorkommen, dass das Eis zu dünn ist und Straße nicht freigegeben wird. Zuletzt war dies 2022 der Fall.

Finnland mit dem Zug

Der Personenverkehr in Finnland wird von der staatlichen Eisenbahn VR (sprich wee-är) betrieben. Im Fernverkehr gibt es neben dem doppelstöckigen Intercity noch den schnellen Neigezug Pendolino. Darüber hinaus verbinden mehrere Nachtzüge täglich den Süden Finnlands mit Rovaniemi, Kemijärvi und Kolari in Lappland. Der Regional- und Nahverkehr ist dagegen außerhalb des Großraums Helsinki schwach entwickelt. Die wenigen Nebenbahnen im ländlichen Raum, so auch die Strecke von Jonesuu nach Nurmes über Vuonislahti, werden oft nur von ein oder zwei Zugpaaren am Tag bedient. Zum Einsatz kommen Dieseltriebwagen aus den frühen 2000er Jahren.

Finnlands Züge sind komfortabel und bieten durch das Breitspurprofil viel Platz. Eine Trennung zwischen 1. und 2. Klasse gibt es nicht, neben den Standard-Plätzen gibt es im Intercity und Pendolino jedoch den „Ekstra“-Sitzbereich mit erhöhtem Komfort und kostenlosen Erfrischungen. Im Fernverkehr verfügen nahezu alle Züge über einen vollwertigen Speisewagen. Die Nachtzüge bieten bequeme Schlafwagen sowie Sitzwagen. In allen Zügen außer dem Pendolino ist Fahrradmitnahme möglich. Im Intercity und Nachtzug ist eine Reservierung für Fahrräder nötig, diese kostet je nach Strecke 4 bis 8 €.

Nachtzug in Finnland
Sehr zu empfehlen ist eine Fahrt mit den finnischen Nachtzügen

Zugfahren in Finnland ist vergleichsweise günstig. Tickets gibt es auf vr.fi und kosten auf Langstrecken wie Helsinki–Rovaniemi oder Turku–Joensuu selbst bei kurzfristiger Buchung unter 100 €. Die Preise sind dynamisch – je früher die Buchung, desto höher die Chance, einen günstigen Preis zu ergattern. Eine normale Fahrkarte enthält immer einen reservierten Sitzplatz, eine Reservierungspflicht besteht aber nicht. Finnland lässt sich auch gut mit Interrail bereisen. Noch besser ist aber das Sommerticket „Lomalippu“, das zu den finnischen Ferienzeiten (im Sommer: Mai bis August) erhältlich ist. Damit reist es sich nicht nur preiswert, sondern durch die Integration in die exzellente App der VR auch besonders entspannt.

🚞 Sommertickets: 5 Bahn-Schnäppchen für Europa
Mit diesen Passangeboten fahrt ihr im Sommer 2023 besonders günstig durch Europa.

Nationalparks in Finnland

Koli ist nur einer von 41 großartigen Nationalparks in Finnland. Vom wilden Lappland über die bezaubernde Seenplatte bis an die Küsten mit ihren Schärengärten – die Nationalparks sind über das ganze Land verteilt und bieten einen tollen Einstieg in Finnlands unberührte Natur. Unterhalten werden sie von der Forstbehörde Metsähallitus und bieten gut gepflegte Wanderwege, Schutzhütten, Naturzentren und vieles mehr. Detaillierte Informationen und Kartenmaterial zu allen Parks gibt es auf nationalparks.fi.

Viele Nationalparks liegen recht abgelegen und lassen sich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. In den letzten Jahren hat die finnische Bahn gemeinsam mit lokalen Verkehrsanbietern jedoch Anstrengungen unternommen, die Anbindung zu verbessern. Gelungene Beispiele sind der Nationalpark Repovesi, wo eigens für Nationalpark-Besucher der Bahnhof Hillosensalmi wiedereröffnet wurde, sowie Rokua bei Oulu. Gut erreichbar mit Bahn und Bus sind auch die Nationalparks Nuuksio und Sipoonkorpi in der Hauptstadtregion sowie Kurjenrahka bei Turku.

Wanderweg mit Holzbohlen im Helvetinjärvi-Nationalpark
Ein Spätsommermorgen im Nationalpark Helvetinjärvi bei Tampere

Mit einer Kombination aus Nachtzug und Bus sind auch die großen Nationalparks in Lappland zugänglich. Die Nationalparks Urho-Kokkonen (über Rovaniemi), Pallas-Yllästunturi (über Kolari) sowie Pyhä-Luosto und Salla (über Kemijärvi) lassen sich besonders gut auf diese Weise erreichen. Busfahrpläne für ganz Finnland gibt es auf matkahuolto.fi.

Anreise nach Finnland

Der schnellste Weg nach Finnland führt zunächst mit dem Zug über Hamburg und Kopenhagen nach Stockholm. Von dort geht es dann mit der Fähre nach Turku oder Helsinki. Die Reise nach Turku ist schneller, in der Regel günstiger und durch die Schärenlandschaft ein Erlebnis für sich. Viking Line bietet täglich je eine Fahrt über Tag und über Nacht von Stockholm nach Turku an. Nach Helsinki geht es immer über Nacht und am besten mit Silja Line.

Wer Zeit und Lust hat, sich die Region einmal näher anzuschauen, kann auch über das Baltikum nach Finnland reisen. Seit 2022 gibt es wieder eine tägliche Zugverbindung von Warschau nach Vilnius. Von dort geht es mit dem Bus weiter, entweder nach Riga und dann mit dem Zug über Valga oder direkt nach Tallinn. Zwischen Tallinn und Helsinki besteht reger Fährverkehr.

Die Reederei Finnlines bietet außerdem eine direkte Fähre von Travemünde nach Helsinki an, die zwei Nächte lang unterwegs ist. Die Verbindung richtet sich vor allem an Autofahrer, ist recht teuer und – verglichen mit anderen Routen auf der Ostsee – nicht besonders komfortabel.


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