Die Lounge am Bahnhof Penzance hat extra für den Night Riviera noch mal ihre Türen geöffnet. Es gibt Tee, Kaffee und Kekse, über den Fernseher flimmern letzte Vorbereitungen zur Krönung von Charles.
Wir lehnen uns in den grünen Sofas zurück und fühlen uns erstklassig empfangen. Dabei sind wir eigentlich nur mit Interrail-Pässen der 2. Klasse unterwegs. Doch egal – wer im Schlafwagen des Night Riviera reist, genießt alle Annehmlichkeiten.
Und das sind einige, wie bald feststellen sollten.
Hinter uns liegen zwei tolle Wochen in Großbritannien. Zuletzt waren wir im südwestlichen Zipfel von England unterwegs, in den Regionen Devon und Cornwall. Die Fahrt mit dem Night Riviera zurück nach London soll der würdige Schlusspunkt unserer Reise sein.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt heißt es dann: Der Zug ist da! Gemütlich schlendern wir zu Gleis 4, was außerhalb der kleinen Gleishalle von Penzance liegt. Das Meer schimmert im letzten Tageslicht, direkt am Bahnsteig ragt eine Palme in den Himmel. Der Name Riviera ist für diese zauberhafte Gegend wirklich keine Übertreibung.
Der Zug präsentiert sich in einem eleganten Nachtgrün. Rein farblich ähnelt er damit dem Caledonian Sleeper. Beim Night Riviera handelt es sich schlicht um die Hausfarbe von Great Western Railway, kurz GWR, die mit dem Nachtzug ihren regen Tagzugverkehr zwischen London und Cornwall ergänzt.
Fünf Schlafwagen gibt es, dazu zwei Sitzwagen und das Lounge Car. Wir sind in Wagen H untergebracht, direkt hinter der Lok.
Oder Wagen haitch, also mit stimmhaftem H, wie unsere Schlafwagen-Schaffnerin es ausspricht. Sie begrüßt uns so umwerfend freundlich und herzlich, wie wir es auf unserer gesamten Reise in Großbritannien nicht anders kennengelernt haben. Ein kurzer Blick auf die Tickets, und schon dürfen wir zum Abteil.
Reservierung auf Umwegen
Dass wir überhaupt mitfahren können, ist Ergebnis einer kleinen Zitterpartie. Zu unseren Interrail-Pässen brauchen wir nämlich noch eine zusätzliche Reservierung für den Schlafwagen. Und die ließ sich partout nicht aus dem Ausland erwerben.
Nach der Ankunft in Großbritannien führte unser erster Weg deshalb direkt zum Fahrkartenschalter. Am Bahnhof St. Pancras in London verstand man unser Anliegen zwar, konnte aber nicht weiterhelfen. Stattdessen wurden wir zum Bahnhof Paddington geschickt.
Es folgte eine Jagd durch den Londoner Untergrund, an deren Ende wir im Reisezentrum von GWR standen. Wir hatten Glück: Es waren noch Plätze frei. Für 60 Pfund pro Person hielten wir die Reservierungen in den Händen. Immerhin: Gedruckt auf den orangenen Papierkärtchen von National Rail und damit ein schickes Souvenir.
Nachtzug mit Klasse – und einem Clou für Langschläfer
Doch zurück nach Penzance. Wir finden unser Abteil direkt am Wagenende. Alle Schlafwagenabteile im Night Riviera haben zwei Betten, übereinander angeordnet. Bei Einzelbelegung lässt sich das obere Bett wegklappen. Benachbarte Abteile können mit einer Zwischentür zu einer kleinen Suite verbunden werden, was ideal für Familien ist.
Die Wagen haben zwar schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, wurden aber unlängst umfassend modernisiert. Das Interieur ist in dunklen Farben gehalten, alles wirkt edel und hochwertig. Ein echter Hingucker ist der elegant gemusterte Teppich.
Obwohl der Platz begrenzt ist, fühlen wir uns in den Gängen und im Abteil weniger beengt als im Caledonian Sleeper (mehr über unsere Fahrt mit dem Nachtzug nach Schottland). Dazu trägt auch bei, dass die Betten im Night Riviera einen Tick länger und breiter sind.
Wir sind noch nicht fertig mit Staunen, da klopft es an der Tür. Es ist noch einmal die nette Schaffnerin. Sie fragt nach unseren Wünschen fürs Frühstück und für welche Zeit sie die Dusche in Paddington für uns reservieren soll.
Wow, mit so viel Service haben wir nicht gerechnet. Wir entscheiden uns für Porridge und eine warme Bacon Roll, dazu Kaffee, Tee und Orangensaft. Serviert werden soll um 6 Uhr – und damit eine Stunde nach der Ankunft.
Das ist der besondere Clou am Night Riviera: Mit kaum acht Stunden ist die reine Fahrzeit nach London zwar recht kurz, in Paddington steht der Nachtzug aber noch fast zwei Stunden am Bahnsteig. Und genau so lange könnt ihr eurer Abteil zusätzlich nutzen – zum Ausschlafen und in aller Ruhe Frühstücken.
In die andere Richtung funktioniert es ähnlich. Der Night Riviera von London nach Penzance fährt erst kurz vor Mitternacht ab, die Schlafwagen stehen aber bereits ab 22:30 Uhr zum Einsteigen bereit. Wenn ihr es geschickt anstellt, könnt ihr so in beiden Richtungen auf acht bis neun Stunden Schlaf kommen.
Im rollenden Wohnzimmer
Nach Zubettgehen steht uns der Sinn aber noch nicht. Eine Fahrt im Nachtzug will schließlich zelebriert werden. Von der Abfahrt kriegen wir kaum etwas mit, so ruhig gleitet der Night Riviera über die Gleise.
Uns zieht es uns ins Lounge Car. Dort erwartet uns eine gemütliche Bar, die eher wie ein Wohnzimmer wirkt als ein Speisewagen. Neben Sitzgruppen mit Tisch gibt es drehbare Sessel sowie als besonderes Highlight zwei längs zur Fahrtrichtung angeordnete Sofas.
Wir machen es uns mit einem Drink gemütlich. Um uns herum wird Tee aus niedlichen Metallkännchen getrunken (ein Heißgetränk geht für Schlafwagengäste aufs Haus, wie wir später lernen), während draußen schemenhaft die Steilküsten von Cornwall vorbeiziehen.
Schade nur, dass die Fahrt im Night Riviera eigentlich zu kurz ist, um hier entspannte Stunden zu verbringen.
Die Ausstattung überzeugt
Zurück im Abteil verstauen wir die letzten Dinge im flachen Schrank an der Abteilwand. Dort finden wir zwei Flaschen Mineralwasser, zudem gibt es für jeden ein Handtuch und ein Stückchen Seife.
Die elektronische Schlüsselkarte haben wir schon auf dem Weg ins Lounge Car erfolgreich getestet. Unsere technischen Geräte freuen sich über die zahlreichen USB-Steckdosen. Und auch WLAN gibt es im Night Riviera, an diesem Abend funktioniert das tadellos.
Als wir das Tischchen am Fenster hochklappen, entdecken wir ein Waschbecken im britischen Stil. Es gibt zwei getrennte Hähne für warm und kalt, dafür lässt sich der Abfluss mit einem Stöpsel verschließen und das Wasser im Becken auf die gewünschte Temperatur mischen. Für eine Katzenwäsche reicht das allemal.
Abteile mit eigenem Bad gibt es im Night Riviera nicht. Die Toiletten befinden sich am Wagenende, jeweils zwei nebeneinander. Duschen können Schlafwagengäste an den Bahnhöfen Paddington, Truro und Penzance. Was wir als Vorteil sehen – wann man ehrlich ist, ist das Duschen im Zug doch immer eine ziemliche Prozedur.
Nach einem langen Tag fallen wir in die frisch bezogenen Betten. Ein echtes Highlight ist die hochwertige, angenehm schwere Bettwäsche. Wie alles im Night Riviera ist sie makellos sauber.
Ankunft in Paddington
Als wir am nächsten Morgen die Jalousie hochschieben, strahlt uns die gewaltige Bahnhofsuhr von Paddington an. Wir haben unser Ziel sicher erreicht. Und geschlafen wie Baumstämme. Die Fahrt war ruhig, die super bequemen Betten taten ihr übriges.
Pünktlich zur verabredeten Zeit kommt das Frühstück. Während wir essen, huscht die ein oder andere Gestalt vor dem Fenster entlang, ansonsten ist es ruhig an diesem Morgen in Paddington.
Wir stehen auf Gleis 1, direkt am Hausbahnsteig. Das ist kein Zufall – nachdem wir ausgecheckt und uns für die tolle Fahrt bedankt haben, können wir direkt in die GWR-Lounge wechseln. Hier wird noch einmal üppiger aufgefahren als am Abend zuvor in Penzance. Es gibt Croissants, Früchte und andere Leckereien, im Kühlschrank stapeln sich die Softdrinks.
Doch erst mal duschen. Das klappt hervorragend, wir können das Badezimmer, dass sich direkt an die Lounge anschließt, sogar schon vor der verabredeten Zeit nutzen. Nach dem zweiten Frühstück erkunden wir neugierig die Lounge und stoßen plötzlich auf einen mondänen Saal mit Sesseln und Sofas.
„Das ist der Original-Warteraum von Queen Victoria“, erzählt der Lounge-Mitarbeiter stolz. Ob wir uns kurz setzen dürfen? „Klar, von mir aus könnt ihr den ganzen Tag bleiben. Und holt euch was zu Trinken!“
Ganz so lange bleiben wir nicht, doch eine gute Weile lassen wir die Nachtzugfahrt noch in dieser einzigartigen Atmosphäre ausklingen. Eine Fahrt, auf der wir uns von Anfang bis Ende genau so gefühlt haben, wie einst Victoria: wahrlich königlich.
Fazit
Tolle Züge, herausragender Service und eine unglaubliche Fülle an Inklusivleistungen – mit dem Night Riviera hat GWR einen wirklich großartigen Nachtzug auf die Beine gestellt.
Vergessen wir kurz die Sache mit der schwer erhältlichen Interrail-Reservierung, war es die perfekte Nachtzugfahrt.
Da beim Night Riviera auch der Preis stimmt, sticht er für uns insgesamt knapp den Caledonian Sleeper aus. Aber auf sehr hohem Niveau – beides sind phantastische Nachtzüge, die ihr bei einer Zugreise nach Großbritannien unbedingt auf dem Zettel haben solltet.
Fragen und Antworten
Nach den persönlichen Eindrücken der Fahrt kommen hier noch die wichtigsten Fakten zum Night Riviera.
Wohin fährt der Night Riviera?
Der Night Riviera verbindet London Paddington mit Penzance in Cornwall. Die Strecke ist 520 Kilometer lang und führt über Exeter und Plymouth. Wichtige Stationen in Cornwall sind Liskeard, Bodmin Parkway, St Austell und Truro. Beliebte Urlaubsorte wie Looe, Newquay, Falmouth und St Ives werden über Nebenbahnen angebunden.
Wann fährt der Night Riviera?
Der Night Riviera fährt montags bis freitags sowie an Sonn- und Feiertagen, jedoch nicht samstags. In London startet er um 23:45 Uhr und erreicht Penzance um 8:00 Uhr (sonntags um 8:50 Uhr). Das Einsteigen am Bahnhof Paddington ist ab 22:30 Uhr möglich. In der Gegenrichtung verlässt der Zug Penzance um 21:45 Uhr (sonntags um 21:15 Uhr) und kommt um 5:00 Uhr in London an. Schlafwagengäste können bis 6:45 Uhr an Bord bleiben.
Welche Ausstattung hat der Night Riviera?
Im Night Riviera gibt es Schlafwagen, Sitzwagen und eine Lounge Bar. Schlafwagenabteile können einzeln oder doppelt belegt werden. Es gibt ein barrierefreies Abteil pro Zug. Jedes Abteil verfügt über ein Waschbecken, einen Kleiderschrank, regulierbare Beleuchtung mit Leselicht und Temperatursteuerung. Steckdosen gibt es im britischen Standard und als USB-Anschlüsse. Wasser, Handtücher und Seife werden gestellt. Im gesamten Zug ist WLAN verfügbar. Fahrradmitnahme ist nach Anmeldung kostenlos möglich.
Gibt es Frühstück im Night Riviera?
Im Preis für den Schlafwagen enthalten ist ein kleines Frühstück, das zur vereinbarten Zeit ins Abteil gebracht wird. Außerdem könnt ihr morgens in Penzance, Truro und Paddington die GWR-Lounge besuchen, hier gibt es weitere Speisen und Getränke.
Was kostet die Fahrt im Night Riviera?
Der Preis setzt sich zusammen aus (1) der Fahrkarte und (2) einem Zuschlag fürs Schlafwagenabteil. Als Fahrkarten gelten im Night Riviera die üblichen Tarife wie Anytime, Off-Peak und Super-Off-Peak, jedoch gibt es keine Advance Tickets. Der Zuschlag für den Schlafwagen variiert je nach Auslastung. Einzelabteile kosten 40 bis 100 Pfund, bei Doppelbelegung sind es 30 bis 75 Pfund pro Person. Im Sitzwagen benötigt ihr nur eine Fahrkarte. Generell ist der Night Riviera recht preiswert, ein Super-Off-Peak Ticket samt Bettplatz kann sogar günstiger sein als die Fahrt über Tag.
Gilt Interrail im Night Riviera?
Ihr könnt den Night Riviera mit Interrail nutzen, benötigt jedoch eine zusätzliche Reservierung für einen Platz im Schlafwagen. Die Reservierung kann derzeit nur vor Ort an einem Bahnschalter in Großbritannien vorgenommen werden. Am besten geht dies am GWR-Schalter am Bahnhof London Paddington. Der Preis für die Reservierung richtet sich nach den oben genannten Zuschlägen.
Wo gibt es Tickets und mehr Infos?
Weitere Informationen zum Night Riviera Sleeper sowie aktuelle Fahrpläne findet ihr auf der Website von GWR. Dort könnt ihr auch alle regulären Fahrkarten online erwerben. Achtet dazu in der Reiseauskunft auf den Begriff „Sleeper Service“.
Wie komme ich zum Bahnhof Paddington?
Erreicht ihr London mit dem Eurostar, müsst ihr im Nahverkehr von St. Pancras zum Bahnhof Paddington wechseln. Hierfür fahrt ihr zunächst mit Thameslink nach Farringdon und steigt dort in die Elizabeth Line nach Paddington um. Beide Züge könnt ihr mit Interrail kostenlos nutzen. Beachtet jedoch, dass ihr einige Bahnsteigsperren überwinden müsst, was nur mit Hilfe des örtlichen Personals möglich ist.
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