Nein, beengt habe ich mich nicht gefühlt. So viel sei verraten. Im Gegenteil: Was manche schon beim Gedanken schaudern lässt, weil sie sich in einem Sarg auf Schienen wähnen, erwies sich als kleines Raumwunder.

Aber der Reihe nach.

Als die ÖBB im Dezember 2023 ihre neue Nachtzug-Generation einführten, war die Spannung groß. Besonders im Fokus: die Mini Cabin – die größte Neuerung, die Europas Nachtzugverkehr seit langer Zeit gesehen hat. Diese winzigen Schlafkapseln für Einzelreisende sollen den Wunsch nach Privatheit mit einem, na ja, günstigen Preis verbinden. Für die einen eine Revolution. Für andere ist eine Nacht im rollenden Kapselhotel eine Horrorvorstellung.

Inzwischen sind fast anderthalb Jahre vergangen. Die neuen Nightjets mit ihren Mini Cabins sind auf immer mehr Linien unterwegs, zuletzt auch nach Italien. Nach einem holprigen Start mit technischen Problemen scheinen die größten Kinderkrankheiten mittlerweile abgelegt. Höchste Zeit für einen Test!

Neuer Nightjet: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Alle Infos zum brandneuen Nachtzug der ÖBB.

Der erste Eindruck

Wien Hauptbahnhof, ein kühler Märzabend. Der Nachtzug nach Hamburg ist mit Verspätung angekündigt. 15, 30, 45 Minuten … Ich tigere den Bahnsteig auf und ab. Ein kurzfristiger Fahrzeugtausch, heißt es. Eine kleine Diva scheint der neue Nightjet also immer noch zu sein. Am Ende sind es zwei Stunden, bis die glänzend blauen Wagen einrollen. Immerhin: Der Fahrplan hat genug Reserven, unser Ziel Hamburg sollten wir sogar vor Plan erreichen.

Ich steige in einen der drei Liegewagen. Kein Zufall, dass die Mini Cabins hier zu finden sind: Sowohl preislich als auch bezüglich Komfort und Service sind die Schlafkapseln dem Liegewagen deutlich näher als dem Schlafwagen.

Fahrplan Nightjet 490 von Wien nach Hamburg
Die Mini Cabins sind im Liegewagen untergebracht

Im vorderen Teil des Wagens gibt es noch ein paar klassische 4-Bett-Abteile, die vor allem Paare und Familien ansprechen sollen. Dann folgt der offene Bereich mit den Mini Cabins – eine Mischung aus Großraumbüro und Gruppen-Schlafsaal. Ich stehe erstmal im Stau. Der Gang ist schmal, überholen ausgeschlossen. Bis alle ihre Kapsel gefunden und sich eingerichtet haben, dauert es eine Weile.

Die Mini Cabins kann man sich vorstellen wie Betten in einem Hostel: je zwei Stück übereinander angeordnet, für Privatsphäre sorgt ein Vorhang. Nur dass dieser hier eine Schiebetür aus Metall ist, die von innen verriegelt werden kann. Ich habe mich bei der Buchung für eine untere Kapsel entschieden. Bei geöffneter Tür lässt sich bequem hineinschlüpfen.

Gang mit geöffneten Mini Cabins
Blick in den Gang, nachdem sich der Stau aufgelöst hat
Decke, Bettlaken und Kissen liegen auf dem Bett in einer Mini Cabin
Die Mini Cabin ist fertig zum Beziehen

Der erste Eindruck ist positiv. Die Liegefläche aus Filz ist angenehm fest, die Beleuchtung klasse. Mit meinen 1,83 Metern komme ich mit der Länge gut hin, ohne mit den Füßen anzustoßen. Das Beste aber: Ich kann mich aufsetzen! Dadurch fühlt sich die Kapsel überhaupt nicht eng an, sondern fast schon heimelig. Dazu trägt auch das kleine Fenster bei, das jede Mini Cabin hat.

Auf der Liegefläche finde ich einen dünnen Hüttenschlafsack, eine rote Fleecedecke und ein Kopfkissen. Letzteres ist nicht nur winzig, sondern wirkt auch schon ziemlich abgenutzt. Hier scheint man am falschen Ende gespart zu haben. Dazu gibt es noch eine Papptüte für Abfall, einen eigenen Mülleimer gibt es nicht.

Piepkonzert mit Lichtorgel

Und was ist mit Gepäck? Dieses Problem ist so gelöst: Pro Mini Cabin stehen am Gang zwei verschließbare Fächer zur Verfügung, ein großes für Koffer, ein kleines für Schuhe. Größe ist allerdings relativ: Meine 35-Liter-Reisetasche plus Jacke passen gerade so hinein. Und auch das Schuhfach kapituliert vor allem, was über einfache Sneaker hinausgeht. Im Vorteil ist hier, wer eine untere Kapsel gebucht hat: Die Liegefläche lässt sich hochklappen, darunter findet sich weiterer Stauraum.

Nach der Abfahrt kommt der Zugbegleiter vorbei und kontrolliert die Tickets. Trotz der Verspätung erklärt er freundlich und geduldig die wichtigsten Funktionen der Mini Cabin und fragt nach dem Getränkewunsch fürs Frühstück.

Innenraum der Mini Cabin mir Spiegelung
Geschickt: Durch den Spiegel wirkt die Mini Cabin größer

Nachdem ich den Schlafsack zurechtgerückt habe, schiebe ich die Tür zum ersten Mal zu. Von innen ist das ein wenig umständlich – und man muss aufpassen, dass sie richtig einrastet, sonst rollt sie während der Fahrt wieder auf.

In der Kapsel selbst gibt es neben einem klapp- und verschiebbaren Tischchen, dessen Spiegel auf der Unterseite den Raum optisch geschickt vergrößert, einiges an Technik: eine normale Steckdose, eine USB-Steckdose sowie – besonders praktisch – ein induktives Ladepad fürs Handy. Die neuen Nightjets bieten zudem erstmals auch WLAN sowie verbesserten Mobilfunkempfang.

Der ganze Stolz scheint aber das elektronische Bedienelement für die Lichtsteuerung zu sein. An sich eine gute Idee, aber aus Gründen, die nur die ÖBB kennen, wird jede Aktion mit einem lauten Piepton quittiert.

Licht an? Piep! Licht dimmen? Piep! Lichtfarbe wechseln? Piep! Licht aus? Piep, piep, piep … Noch lange nach der Abfahrt schallt ein Piepkonzert durch den Wagen, bis jeder alle Funktionen einmal ausprobiert hat.

Moment, Lichtfarbe wechseln?

Ja, eine der Hauptfunktionen der Steuerung ist die Änderung der Farbe der Beleuchtung: von Magenta über Rot und Orange bis hin zu Blau. Und natürlich LED-weiß, die Hauptfarbe. Nett, aber irgendwie auch ein Fall von: „Wir haben das Feature schon mal eingebaut, irgendein Nutzen wird sich sicher noch finden!“

Mini Cabin mit verschiedenen Lichtfarben
Willkommen in der Nachtzug-Disko!

Nicht ohne Sauerei

Technik der sinnvolleren Sorte ist dagegen die elektronische Schlüsselkarte. Man hält sie einmal an den Sensor neben der Tür, und schwupps lassen sich die Mini Cabin und die dazugehörigen Gepäckfächer öffnen. Das funktioniert tadellos. Wichtig ist nur, die Karte mitzunehmen, wenn man aufs Klo geht, sonst kommt man nicht mehr zurück in seine Kapsel.

Bei den Toiletten haben sich die ÖBB etwas Neues einfallen lassen: Am hinteren Wagenende gibt es davon zwei Stück – nach Geschlechtern getrennt. Was das soll, versteht niemand so richtig, denn sie sind komplett identisch. Kein Wunder, dass sich bald kaum jemand mehr an die Aufteilung hält. Neben den Toiletten gibt es noch einen winzigen Waschraum zum Zähneputzen und, na ja, Waschen eben. Dazu muss man sich aber ganz schön verrenken.

Türen zum Waschraum und zu einer der Toiletten
Toiletten und ein Waschraum befinden sich am Wagenende
Keycard in meiner Hand
Nicht vergessen: Die Schlüsselkarte sollte man immer dabeihaben
Symbol für Damen- und Herrentoilette sowie den Waschraum auf dem Display in der Mini Cabin
Besetztanzeige für Toiletten und Waschraum – praktisch!

An den Waschbecken gibt es je einen Lichtsensor für Wasser, Seife, Desinfektionsmittel und Handtrockner. Mir ist es nicht gelungen, die Hände zu waschen ohne alles gleichzeitig auszulösen und eine kleine Sauerei anzurichten. Papierhandtücher wären hier besser gewesen.

Löblich dagegen: Auf dem Bedienfeld in der Kapsel lässt sich ablesen, ob Waschraum und Toiletten gerade besetzt sind. Vergebliche Gänge zum Klo gehören damit der Vergangenheit an.

Nachtgedanken

Als alle Bettvorbereitungen und Toilettengänge erledigt sind, kehrt langsam Ruhe im Wagen ein. Perfekt schallisoliert sind die Kapseln allerdings nicht, hier und da sind Murmeln und Schnarchen zu vernehmen.

Während der Zug butterweich durch die Nacht gleitet und die Lamellen der Tür leise vor sich hin klappern, komme ich ins Nachdenken. Einerseits schätze ich die Abgeschiedenheit meiner Kapsel. Privatheit ist mir auf Nachtzugfahrten zunehmend wichtig geworden. Vielleicht eine Altersfrage. Wenn das Budget es hergibt, gönne ich mir inzwischen immer öfter ein Einzelabteil im Schlafwagen. Dass mir die Mini Cabin nun die Möglichkeit bietet, für mich zu sein, ohne gleich ein komplettes Abteil zu belegen, ist eine super Sache.

Beine in der Mini Cabin hinter geschlossener Tür
Eingesargt? In der Mini Cabin bei geschlossener Tür

Andererseits: Viele meiner schönsten Erlebnisse im Nachtzug beruhen auf Begegnungen im Abteil. Zufällig zusammenzukommen, eine Nacht miteinander zu verbringen und wieder auseinanderzugehen – das ist eine sehr spezielle Situation. Eine Situation, die die Herzen öffnet. Was habe ich schon für Geschichten gehört!

Die Mini Cabin, diese kleine Ich-Kabine, ist der exakte Gegenentwurf dazu. Sie passt in eine Zeit, in der wir uns in unseren Echokammern eingerichtet haben und uns vor allem um uns selbst drehen.

Ganz ohne Austausch bleibt es aber auch hier nicht. Mehr als einmal werde ich angesprochen: „Ist das deine Kabine?“ – „Weißt du, wie das mit dem Gepäckfach funktioniert?“ – „Hast du vielleicht Lust zu tauschen?“ Zwischen zwei nebeneinander liegenden Kapseln gibt es sogar eine kleine Tür, die sich öffnen lässt, wenn sie von beiden Seiten entriegelt wird.

Doch es bleiben flüchtige Begegnungen. Ein kurzer Plausch auf dem Flur ist eben doch etwas anderes, als das Schlafzimmer zu teilen. Hin- und hergerissen, was ich davon halten soll, fallen mir die Augen zu.

Gang im Liegewagen mit geschlossenen Mini Cabins
In der Nacht kehrt Ruhe ein im Liegewagen

Der Morgen danach

Ich wache irgendwo hinter Göttingen auf. Für eine Nachtzugfahrt habe ich erstaunlich gut geschlafen. Die Laufruhe der neuen Züge ist beeindruckend, und auch vom nächtlichen Rangieren habe ich nichts mitbekommen. Sollte es dabei zum oft beschriebenen „Reboot“ der Bordsysteme gekommen sein, habe ich ihn komplett verschlafen – was ja kein schlechtes Zeichen ist.

Interessanterweise war die einzige Dimension, in der ich mich ein wenig eingeschränkt gefühlt habe, nicht die Länge oder Höhe, sondern die Breite der Kapsel: Wenn ich mich kurz in die Embryohaltung gedreht habe, stießen meine Knie an die Wand. Kein Drama, irgendwo muss man halt Kompromisse machen.

Ebenfalls nicht ideal, aber verkraftbar: die Lüftung. Sie war für meinen Geschmack etwas zu kühl und zu kräftig eingestellt, so dass ich unter der dünnen Decke leicht ins Frösteln kam. Regeln lässt sie sich von der Kapsel aus leider nicht.

Nun folgt die Prozedur, die ich von früheren Nightjet-Fahrten bereits kenne: Viel zu früh werden wir aus den Federn geworfen, die Bettwäsche wird eingesammelt – und weit über eine Stunde vor Ankunft das Frühstück serviert. Warum es die ÖBB nicht schaffen, den Morgen etwas sanfter zu gestalten, bleibt mir ein Rätsel.

Gastlichkeit im Nachtzug
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Gegen das Frühstück selbst lässt sich dagegen nichts sagen. Klar, es ist nicht das üppige Auswahlmenü, das Schlafwagengästen vorbehalten ist. Aber mit Kaffee, frischen Brötchen, Butter und einem Gläschen Marmelade hebt es sich deutlich vom Standard der meisten anderen Liegewagen in Europa ab.

Für das kleine Tablett, das durch die Tür hereingereicht wird, ist auf dem Klapptisch mehr als genug Platz. Ich kann es bequem im Sitzen an mich heranziehen – und auch das Essen klappt in dieser Position erstaunlich gut, sogar ganz ohne das Bett voll zu krümeln.

Tablett mit Kaffee, zwei Brötchen und Marmelade
Frühstückszeit in der Mini Cabin

Den Rest der Fahrt sitze ich in meiner leergeräumten Kapsel, blicke hinaus in die niedersächsische Landschaft oder auf Beinpaare, die den Gang entlang trappeln. Sogar etwas früher als geplant erreichen wir schließlich Hamburg-Harburg, wo der Zug heute wegen Bauarbeiten vorzeitig endet.

Weil er nicht lange am Bahnsteig stehen kann, wird es beim Ausstieg noch einmal kurz hektisch. Freundlich, aber bestimmt werden wir aus dem Wagen herausgebeten. Gerade noch schaffe ich es für einen letzten Blick aufs Nachbargleis, dann rollt der Nightjet auch schon davon. Wie eine flüchtige Begegnung – dass ich nur wenige Wochen später schon wieder einsteigen würde, wusste ich da noch nicht.

Nightjet am Bahnsteig in Hamburg-Harburg
Angekommen am Bahnhof Hamburg-Harburg

Mini Cabin: Mein Fazit

Ich will ehrlich zu euch sein: Vor der Fahrt war ich ziemlich skeptisch, was die Mini Cabin betrifft. Fast schon hatte ich darauf gewartet, enttäuscht zu werden – und den Untergang der Nachtzugkultur zu beklagen.

Doch es kam anders. Natürlich, es gibt es ein paar technische Spielereien, die niemand gebraucht hätte, und die in ein paar Jahren schrecklich altmodisch wirken werden. Aber im Kern funktioniert das Konzept der Mini Cabin erstaunlich gut! Die Kapseln sind geräumiger als gedacht, die Nacht war angenehm ruhig – und selbst die Verspätung konnte uns nichts anhaben.

Für die Fahrt in der Mini Cabin von Wien nach Hamburg habe ich 49 Euro als Zuschlag zu einem Interrail-Pass bezahlt. Ein absolut fairer Preis für mehr Privatsphäre und Komfort, als man es sonst aus einem Liegewagen kennt. In der Hauptreisezeit kann es jedoch deutlich teurer werden. Ob es sich dann noch lohnt, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Für mich jedenfalls steht fest: Wenn der Preis stimmt, würde ich jederzeit wieder in die Nachtzug-Kapsel klettern.


Praktische Tipps

  • Strecken: Die neuen Nightjets mit Mini Cabins sind aktuell auf folgenden Linien unterwegs: Hamburg–Wien, Hamburg–Innsbruck, Wien–Bregenz, München–Rom und Wien–Rom. Ab Mitte 2025 sollen sie zudem auch von Wien und Innsbruck nach Amsterdam zum Einsatz kommen.
  • Besser unten: Wer eine untere Mini Cabin bucht, erspart sich nicht nur die Kletterei, sondern hat unter dem Bett auch zusätzlichen Stauraum für Gepäck. Die Präferenz lässt sich bei der Buchung angeben.
  • Tipps für Paare: Reist ihr zu zweit, könnt ihr nebeneinander liegende Mini Cabins erhalten, zwischen denen sich ein kleines Türchen öffnen lässt. Ich würde allerdings in dem Fall eher zum klassischen Liegewagenabteil tendieren – hier gibt es mehr Platz und es ist in der Regel einen Tick günstiger.
  • Ticket buchen: In der Verbindungsübersicht klickt ihr zunächst auf „Liegewagen“ und wählt dann im nächsten Schritt „Mini Cabin“. Entscheidet ihr euch stattdessen für „Einzelplatz“, landet ihr in einem 4-Bett-Abteil mit Fremden.
  • Das kostet der Spaß: Die Preise für die Mini Cabin sind dynamisch. An schwachen Reisetagen geht es ab etwa 80 € für ein Sparschiene-Ticket los, zur Hauptreisezeit oder am Wochenende können es 150 bis 200 € werden. Auch Interrail-Reservierungen schwanken preislich je nach Auslastung.

Das war mein kleiner Test der Mini Cabin. Würdet ihr auch mal einsteigen? Oder habt ihr vielleicht sogar schon eine Nacht in der Schlafkapsel verbracht? Schreibt mir gerne einen Kommentar!