Fast ein richtiges Restaurant
Dass ein Besuch im Speisewagen der Schweizer Bahn teuer ist, ist kein Geheimnis. Aber wird das Essen den Preisen gerecht? Eine kulinarische Testfahrt von Zürich nach Basel.
Wenn zwei Eisenbahnfreunde sich treffen, gibt es keinen besseren Ort als den Speisewagen. Als ich an einem verregneten Frühsommertag mit Nachtzugfan Noam in Zürich verabredet bin, entscheiden wir uns bald, in den nächsten Zug nach Basel zu steigen. Wir wollen dem Zugrestaurant einen Besuch abstatten.
Am Bahnsteig erwartet uns ein Neigetriebzug des Typs ICN. Wie es sich für eine gute Eisenbahn gehört, hat die SBB auch diese modernen Züge mit einem vollwertigen Speisewagen ausgestattet.
Wir setzen uns an einen der Zweiertische. Diese wechseln sich ab mit Tischen für fünf Personen, die halbrund in den Gastraum hineinragen. Teppichboden, weiße Tischdecken und gedämpftes Licht sorgen für ein gediegenes Ambiente. Um die Tische herum gruppieren sich einzelne Stühle, keine fest installierten Sitzbänke wie etwa im ICE der Deutschen Bahn. Alles wirkt vornehm, wie in einem richtigen Restaurant.
Der gut aufgelegte Kellner nimmt unsere Bestellung auf. Kurz sieht es so aus, als käme ich nicht dazu, den Klassiker im Schweizer Speisewagen, das Rindergehackte mit Hörnli und Apfelmus, zu probieren. Doch er schaut extra noch mal in der Küche nach, und ich habe Glück: Genau eine Portion ist noch da.
Noam entscheidet sich für Cappellacci, Pasta gefüllt mit Spinat und Ricotta, eines der vegetarischen Gerichte im Angebot.
Eine Portion Schweiz
Gelten Speisewagen in Tschechien, Ungarn oder Slowenien als rollende Wirtshäuser mit einfacher, aber guter Hausmannskost, setzt man in der Schweiz eher auf feine Küche. Die Karte ist umfangreich und bietet eine Mischung aus Klassikern und saisonal wechselnden Aktionsgerichten, sodass auch Stammgästen nicht langweilig wird. Auf der aktuellen Sommerkarte finden sich etwa Gazpacho, Risotto mit getrockneten Tomaten oder vegane Bällchen mit Safrannudeln.
Neben Vorspeisen, Hauptgerichten und Desserts gibt es in den Speisewagen der SBB, und das dürfte einzigartig auf Europas Gleisen sein, auch eine Auswahl an Vesperplatten für den kleinen Hunger zwischendurch. Sie tragen Namen wie Apéroplättli und bestehen aus, zugegeben, recht fleischlastigen Variationen von Spezialitäten aus verschiedenen Regionen der Schweiz.
Ausschließlich aus Schweizer Lagen stammt auch die regelmäßig wechselnde Weinauswahl. Man merkt: Bei der Bordgastronomie der SBB stehen nicht nur Qualität, sondern auch regionale Produkte hoch im Kurs. Diese Portion Swissness hat aber auch ihren Preis, wie wir später sehen werden.
Geschmacklich top
Keine Viertelstunde nachdem wir eingestiegen sind, kommt unser Essen. Natürlich steht auch in der Schweiz längst kein Koch mehr in der Bordküche und bereitet jedes Gericht frisch zu. Die Speisen werden vorgekocht und im Zug nur noch erwärmt. Es ist eben doch nur fast ein richtiges Restaurant.
Mein Gehacktes mit Hörnli sieht auf den ersten Blick unspektakulär aus – ein Teller Nudeln mit Soße, auf Garnitur wurde leider verzichtet. Schade, über einen Zweig Petersilie oder ein Gurkenscheibchen hätte sich das Auge gefreut.
Geschmacklich ist es dafür hervorragend. Besonders gefällt mir die Kombination aus der herzhaften Rinderhacksauce und dem süß-sauren Apfelmus. Die Nudeln sind angenehm bissfest, für ein Gericht aus dem Dampfgarer nicht selbstverständlich. Dazu gibt es ein Tütchen mit Sbrinz, einem Schweizer Hartkäse. Auch Noam ist mit seiner Pasta zufrieden, allerdings fällt seine Portion recht klein aus. Ein Preis jenseits der 20 Franken für ein paar abgezählte Teigtaschen ist schon ein selbstbewusstes Statement. Zum Essen trinken wir ein alkoholfreies Lager aus der Glasflasche.
Für einen Nachtisch bleibt uns auf der kurzen Fahrt keine Zeit. Das schont die Reisekasse, die bereits mit umgerechnet knapp 60 Euro für die beiden Hauptgerichte plus Getränke ziemlich belastet ist. Die Bezahlung klappt problemlos mit Karte. Der Kellner verabschiedet uns noch freundlich ins Wochenende, dann tauchen wir in das Gewusel des Bahnhofs Basel SBB ein.
Fazit
Gehobenes Ambiente, aufmerksame Bedienung und hervorragendes Essen: Mit ihren Speisewagen bietet die Schweizer Bahn ein kulinarisches Erlebnis auf Schienen. Hätte man viel Zeit und einen großen Geldbeutel, würde man sich gern einmal durch die sorgsam komponierte Karte schlemmen.
Für den Preis müssen wir dann allerdings doch einen Punkt abziehen. Auch wenn man die schwierige Logistik einer Bordküche und das allgemein hohe Schweizer Preisniveau berücksichtigt, waren zumindest die Cappellacci einfach zu teuer. Etwas mehr Liebe hätten wir uns zudem bei der Präsentation der Speisen erhofft.
3,5 von 5 rollenden Sternen.
Speisewagen Schweiz
Strecken
Speisewagen der SBB gibt es auf allen Intercity-Linien in der Schweiz. International kommen sie außerdem auf den EC-Strecken nach Hamburg und München sowie in den SBB-Zügen nach Italien zum Einsatz.
Menü
Die abwechslungsreiche Karte im SBB Restaurant bietet eine Mischung aus Klassikern und saisonalen Gerichten. Es gibt eine gute Auswahl an vegetarischen und veganen Speisen. Backwaren wie Gipfeli werden von lokalen Bäckereien bezogen und frisch an den Zug geliefert. Eine vollständige Speisekarte findet ihr hier.
Preise
Hauptgerichte kosten etwas über 20 Franken. Für das alkoholfreie Lager von Feldschlösschen haben wir 6,20 Franken bezahlt. Ein Gipfeli mit Heißgetränk gibt es für 6,80 Franken. Bei einer Fahrt im Ausland werden die Preise 1:1 in Euro umgerechnet.
Platzreservierung
Innerhalb der Schweiz können Plätze im Speisewagen telefonisch oder am Bahnschalter reserviert werden. Die Platzreservation kostet 5 Franken und wird auf den Verzehr angerechnet.