35: Auf nach Osten!
Die Zugpost macht sich auf den Weg nach Osten und verrät die besten Tipps für eine Zugreise nach Polen, Tschechien oder in die Slowakei. Außerdem: Über eine missglückte Doku über die Deutsche Bahn.
Hallo Zugfans 👋
Ab in den Süden – so heißt das Motto für die meisten, wenn es um den Urlaub geht. Dabei gibt es auch in anderen Himmelsrichtungen viel zu entdecken. Zum Beispiel im Osten. Wobei: Polen, Tschechien und die Slowakei werden eigentlich zu Unrecht als Osteuropa bezeichnet, geografisch korrekt wäre östliches Mitteleuropa. Ja, das ist ein wenig sperrig, aber in Bielsko-Biała, Brünn und Bratislava schlägt nicht weniger das Herz Europas als in Brüssel oder Berlin.
Hüpfende Herzen verursacht dieser Teil Europas auch unter Bahnromantikern. Hier ist die Welt noch in Ordnung, heißt es. Gemeint ist damit: In Polen, Tschechien und der Slowakei gibt es Eisenbahnen, die den Charme vergangener Zeiten erhalten haben – ein dichtes Netz, auf dem Züge in alle Ecken des Landes zuckeln, ältere Fahrzeuge, in denen sich die Fahrt noch am offenen Fenster genießen lässt. Und Apropos genießen: Natürlich gehören auch vorzügliche Speisewagen dazu.
Diese Ausgabe des Zugpost-Newsletters möchte euch Lust machen, bei der nächsten Reise vielleicht einmal in den Zug nach Osten zu steigen. Ich jedenfalls habe beim Zusammenstellen große Lust darauf bekommen. Außerdem blicken wir auf eine missglücke Doku über die Deutsche Bahn und in der Kurzstrecke wie gewohnt auf die wichtigsten Nachrichten aus der Welt des Zugreisens.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Sebastian
1. Polen
Die prächtigen Altstädte von Krakau und Wrocław, das moderne Warschau mit seinen Wolkenkratzern und eine vielfältige Natur, die von Stränden über Berge bis zu Europas letzten Urwäldern reicht – Polen besticht durch Vielfalt und Kontraste. Kein Wunder, dass das Land langsam, aber sicher zu einem der Top-Reiseziele Europas aufsteigt. Und: Polen ist groß. Wusstet ihr, dass Polen flächenmäßig nur wenig kleiner als Deutschland ist und mit 38 Millionen Einwohnern immerhin den fünften Platz in der EU belegt? Da gibt es einiges zu entdecken.
Polens staatliche Eisenbahn PKP Intercity verbindet alle wichtigen Städte mit komfortablen Fernzügen. Neben den reservierungspflichtigen Express Intercity Premium (EIP), Express Intercity (EIC) und Intercity (IC) lässt sich das Land gut und besonders preiswert in den Schnellzügen des Typs TLK entdecken. Dazu kommen Regionalzüge, die von verschiedenen Gesellschaften betrieben werden. Eine Besonderheit in Polen: Die Fahrpläne wechseln nicht nur zweimal im Jahr, wie sonst üblich in Europa, sondern viermal. Darum werden Züge, insbesondere Nachtzüge, verhältnismäßig kurzfristig zur Buchung freigegeben.
Polen kompakt
Anreise: Von Berlin geht es alle zwei Stunden im Eurocity der polnischen Bahn nach Warschau sowie einmal am Tag auch nach Wrocław (Breslau) und Krakau. Besonders bequem ist die Anreise von München, hier startet seit Dezember 2023 der Nachtzug „Chopin“, der über Wien und Krakau nach Warschau fährt. Von Wien gibt es außerdem verschiedene Eurocity-Verbindungen nach Krakau, Warschau, Przemyśl und Danzig. Von der Schweiz aus bietet sich zunächst eine Nachtzugfahrt nach Berlin oder Wien an, von dort aus geht es dann über Tag weiter.
Tipp für Liebhaber: In der Urlaubssaison machen sich von vielen polnischen Städten Sommer-Nachtzüge in die Ostseebäder Hel, Łeba und Kołobrzeg auf den Weg. Die Züge führen oft noch älteres Wagenmaterial, neben Sitzwagen gibt es zumeist auch einen Schlafwagen.
Klassiker im Speisewagen: Unbedingt probieren solltet ihr die saure Mehlsuppe Żurek sowie die typisch polnischen Piroggen, die noch frisch im Topf mit heißem Wasser gekocht werden. Ebenfalls beliebt ist Kotlet schabowy, ein paniertes Schweinekotelett, das traditionell mit Salzkartoffeln und gebratenem Weißkohl serviert wird.
2. Tschechien
Tschechien ist so viel mehr als Prag. Das fängt schon bei der zweitgrößten Stadt an: Brünn, das auf Tschechisch Brno heißt, ist genauso sehenswert und dabei weit weniger touristisch. Doch auch abseits der Großstädte steckt Tschechien voller Kultur und Geschichte. Ausweis dafür sind die nicht weniger als 16 UNESCO-Welterbestätten, die sich fast alle hervorragend mit dem Zug erkunden lassen. Und auch die Landschaft weiß zu entzücken. Zwar hat Tschechien kein Meer, dafür sanfte Hügel und endlose Wälder, die zum Wandern und Entdecken einladen.
Die tschechische Staatsbahn České dráhy (ČD) konkurriert im Fernverkehr seit einiger Zeit mit Regiojet und Leo Express, bleibt aber nach wie vor der wichtigste Anbieter. Aufs Tschechiens Gleisen geht es gemütlich zu, aber zumeist pünktlich und verlässlich. Neu- oder Ausbaustrecken gibt es kaum, dafür unzählige Nebenbahnen, die sich durch die liebliche Landschaft schlängeln und alle Ecken des Landes erreichen.
Tschechien kompakt
Anreise: Ein besonderer Genuss ist die Anreise im Eurocity von Berlin über Dresden nach Prag. Während der Fahrt durch das malerische Elbtal könnt ihr euch im tschechischen Speisewagen auf die Reise einstimmen. Einige Züge beginnen ihre Fahrt schon in Hamburg, ein Zug startet sogar in Flensburg. Von Graz und Wien aus gibt es alle zwei Stunden einen Railjet nach Brünn und Prag sowie von Linz aus viermal täglich eine Verbindung nach Prag über Budweis. Ab Zürich verkehren täglich zwei Nachtzüge, die über verschiedene Strecken nach Prag führen.
Tipp für Liebhaber: Abseits der Hauptachsen lässt sich noch echte Bahnromantik erleben, etwa in den Schnellzügen Rychlík sowie den Dieseltriebwagen mit Spitznamen „Brotbüchse“, die auf vielen kleinen Nebenstrecken zum Einsatz kommen. Ein Erlebnis ist auch die Einkehr in einer der urigen tschechischen Bahnhofskneipen.
Klassiker im Speisewagen: Berühmtestes Gericht ist klar der Lendenbraten in Rahmsauce (tschechisch Svíčková) mit Knödeln. Dazu empfiehlt sich Gurkensalat und ein frisch gezapftes Pilsener Urquell. Tipp: Nach Überquerung der tschechischen Grenze beginnt die „Happy Hour“, dann gibt es alle Gerichte zum stark reduzierten Preis.
3. Slowakei
In puncto Höhe übertrifft die Slowakei ihren tschechischen Nachbarn spielend. Schließlich beherbergt sie mit der Hohen Tatra das kleinste Hochgebirge der Welt. Bis über 2600 Meter ragen die Gipfel in den Himmel und sind ein Paradies zum Klettern, Wandern und Skifahren. Auch sonst geht es hoch her: Zwei Drittel der Slowakei gelten als bergig oder gebirgig. Die dicht bewaldeten und vielfach unberührten Gebirgszüge sind Heimat für Bären, Luchse und viele weitere seltene Tiere.
Die slowakische Eisenbahn Železničná spoločnosť Slovensko (ZSSK) ähnelt in gewisser Hinsicht der tschechischen Bahn. Kein Wunder, denn bis 1993 gingen beide Länder gemeinsame Wege. Die wichtigste Bahnstrecke führt von der Hauptstadt Bratislava über Žilina nach Košice. Hier verkehren moderne Intercity-Züge, einer davon beginnt bereits in Wien. Bei Poprad zieht sich die Strecke wunderschön am Fuß der Hohen Tatra entlang. Die Slowakei unterhält auch noch eigene Nachtzüge, die auf zwei Strecken zwischen Bratislava und Košice bzw. Humenné unterwegs sind.
Slowakei kompakt
Anreise: Von Berlin direkt in die Slowakei geht es mit dem Eurocity „Hungaria“ sowie dem ungarischen Nachtzug nach Budapest, die beide über Bratislava verkehren. Von Wien aus ist Bratislava nur einen Hüpfer im Regionalzug entfernt, mit dem Bratislava-Ticket ist das besonders günstig. Daneben gibt es den oben erwähnten täglichen Intercity von Wien nach Košice über Poprad-Tatry. Von Zürich verkehrt einmal am Tag ein direkter Railjet nach Bratislava. Ansonsten bietet sich ab der Schweiz zunächst eine Nachtzugfahrt nach Wien oder Budapest an, wo Anschluss zu verschiedenen Zielen in der Slowakei besteht.
Tipp für Liebhaber: Die vielleicht schönste Bahnstrecke der Slowakei verläuft durch das Slowakische Paradies, eine zauberhafte Mittelgebirgslandschaft im Zentrum des Landes. Besonderes Highlight ist die Kehrschleife von Telgárt mit dem Chmarošský-Viadukt, was den Vergleich mit ähnlichen Bauten in den Alpen nicht scheuen braucht. Die Strecke führt von Margecany an der Hauptbahn Žilina–Košice über Brezno nach Banská Bystrica. Unter der Woche gibt es zwei, am Wochenende vier durchgängige Züge am Tag.
Klassiker im Speisewagen: Die Restaurants in den slowakischen Fernzügen haben vor einigen Jahren auf ein „internationales“ Menü umgestellt. Ein paar landestypische Gerichte finden sich aber doch noch auf der Karte, etwa Bryndzové halušky, Brimsennockerln mit Speck, oder der in Tschechien wie der Slowakei beliebte frittierte Käse (Vyprážaný syr).
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Eine missglückte Doku
Ja, die Deutsche Bahn darf kritisiert werden. Sie muss sogar kritisiert werden. Allerdings sollte dies fair und sachlich geschehen. Die Dokumentation „Deutsche Bahn: Die Insider“, die am letzten Dienstag im ZDF lief, ist daran grandios gescheitert. Statt einer fundierten Auseinandersetzung mit den Problemen im deutschen Schienenverkehr gab es zur besten Sendezeit altbekannte Klischees, Überzogenes und zum Teil gravierende Fehler.
Das Format der Sendung funktioniert so: Ehemalige Mitarbeiter großer Konzerne werden, na ja, aufwendig maskiert, um dann „auszupacken“. Sie sollen enthüllen, wie Verbraucher über den Tisch gezogen werden. Rossmann, Lidl und IKEA waren schon dran, jetzt also die Deutsche Bahn. Allerdings scheint man dabei allen Aufwand in Maskerade und Requisiten gesteckt zu haben, während die eigentliche Recherche auf der Strecke blieb. Zum einen ist das meiste, was die „Insider“ zu berichten haben, nun wirklich nichts Neues. Dass Sparpreise nicht unbegrenzt verfügbar sind oder das Chili im Speisewagen nicht frisch gekocht wird, dürfte jedenfalls kaum jemanden überraschen.
Zum anderen, und das wiegt schwerer: Es wird unsauber, teils tendenziös gearbeitet und mit falschen Fakten hantiert. Bezüglich der Emissionen des DB-Konzerns und der Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes werden etwa Zahlen genannt, die nicht korrekt oder zumindest irreführend sind. Nach massiver Kritik, unter anderem von Dirk Flege, dem Vorsitzenden des Verkehrsbündnisses „Allianz pro Schiene“, der selbst im Film zu Wort kommt, hat das ZDF die Doku zeitweise aus der Mediathek genommen und an einigen Stellen korrigiert. Da war allerdings das wenig konstruktive Bild der bösartigen Bahn längst über Millionen Bildschirme geflimmert und von anderen Medien weiterverbreitet worden.
Viele von euch hat diese Doku verärgert, und mich auch. Ich hatte nun Gelegenheit, für Übermedien die wichtigsten Kritikpunkte aufzuschreiben. Übermedien ist ein unabhängiges Magazin, das sich kritisch mit Medien auseinandersetzt. Ähnlich wie die Zugpost finanziert sich Übermedien allein durch die Unterstützung seiner Community, der „Übonennten“, und verzichtet auf Werbung und Sponsoren.
Hinweis: Der Artikel befindet sich momentan noch hinter einer Bezahlschranke, wird in den nächsten Tagen aber für alle freigeschaltet.
Kurzstrecke 💬
Was gibt es Neues auf Europas Gleisen? Worüber spricht die Zugreise-Community? Das Wichtigste in der Kurzstrecke!
Neue Nightjets nach Bregenz
Mit dem Nightjet von Wien nach Bregenz haben die ÖBB die nächste Nachtzuglinie auf die neuen Zugmodelle umgestellt. Die erste Fahrt fand am Abend des 5. März statt, seitdem sind die Nightjets der neuen Generation täglich auf der Strecke nach Vorarlberg unterwegs. Nach Hamburg–Wien und Hamburg–Innsbruck, wo die neuen Nightjets bereits seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 verkehren, sind damit nun 3 der 21 Linien im Nachtzugnetz der ÖBB mit Neufahrzeugen ausgestattet.
Weniger Gepäck in Italien
Die italienische Trenitalia beschränkt die Gepäckmitnahme in ihren Frecce-Schnellzügen. Zum 1. März traten neue Beschränkungen in Kraft, nach denen pro Reisenden nur noch zwei Gepäckstücke zur Verfügung stehen, deren Maximalmaße je nach Reiseklasse variieren. Neu ist außerdem eine Kennzeichnungspflicht mit Namen und Adresse, die „klar und lesbar“ am Gepäck angebracht werden müssen. Nach heftiger Kritik hat die Trenitalia die neuen Regeln aber nun vorerst wieder ausgesetzt. Eine überarbeitete Version soll vor Ostern in Kraft treten.
Luxemburg: Missstände bei Videoüberwachung
Zugpost-Leser Jochen machte mich auf einen Skandal in Luxemburg aufmerksam. Wie die Zeitung Tageblatt aufdeckte, gibt es bei der luxemburgischen Bahn CFL offenbar erhebliche Mängel in der Videoüberwachung. Anstatt die Aufnahmen der rund 2.000 Kameras an den Bahnhöfen Luxemburgs zu überwachen, sollen Mitarbeiter geschlafen oder Serien geschaut haben. Dies betrifft auch die Überwachung der SOS-Säulen. Im Juli 2023 soll es am Hauptbahnhof in Luxemburg-Stadt zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein, bei dem trotz laufender Aufzeichnung nicht eingegriffen wurde. Laut dem Tageblatt erklärte die CFL, keine Kenntnis von den Missständen zu haben.
Kein 49-Euro-Ticket für Frankreich
In Frankreich wird es keinen günstigen Bahnpass nach dem Vorbild des Deutschlandtickets geben. Präsident Emmanuel Macron und Verkehrsminister Clément Beaune hatten ein solches Ticket im vergangenen Herbst ins Spiel gebracht. Doch nun kommt das Veto aus den Regionen: Sie sehen sich nicht in der Lage, die Einnahmeausfälle durch ausbleibende Ticketverkäufe zu kompensieren. Außerdem wird auf die bereits stark ausgelasteten Züge hingewiesen. Stattdessen soll ein Ferienpass für junge Leute eingeführt werden, mit dem sie im Sommer ihr Land mit Regionalbahnen und Intercity-Zügen erkunden können.
Vy beendet Nachtzugbetrieb in Schweden
Die norwegische Vy wird im Dezember 2024 ihr Engagement im schwedischen Nachtzugmarkt beenden. Das Unternehmen betreibt seit 2020 die Nachtzüge von Stockholm nach Narvik und Luleå. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Vy in Nordschweden einen Verlust von umgerechnet 11,2 Millionen Euro. Die Norweger werden daher die Option auf Verlängerung des zunächst auf vier Jahre befristeten Vertrages nicht ziehen. Die schwedische Verkehrsbehörde Trafikverket gab bekannt, für den Zeitraum von Dezember 2024 bis Dezember 2026 die Nachtzüge in einer Direktvergabe an einen neuen Betreiber zu vergeben und anschließend neu auszuschreiben.
Ende der Linie 🚉
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