Wer mit dem Nachtzug fährt, reist entspannt, klimafreundlich und zeitsparend. Und obendrein auch noch besonders günstig. So kostet eine Fahrt im Schlafwagen meist weniger als die Kombination aus Zugfahrt über Tag und Hotelübernachtung.
Das galt jedenfalls bisher. Doch nach den teils drastischen Preiserhöhungen beim ÖBB Nightjet geht die Rechnung oft nicht mehr auf. Viele fragen sich: Kann ich mir eine Fahrt mit dem Nachtzug überhaupt noch leisten? Die gute Nachricht ist: Nightjet ist nicht gleich Nachtzug. Überall in Europa gibt es Eisenbahnen, die auch weiterhin Nachtzüge zu fairen Preisen anbieten. Kein Grund also, seine Nachtzugliebe zu begraben.
In diesem Artikel haben wir fünf tolle Nachtzüge zusammengestellt, mit denen ihr 2024 nicht nur gut, sondern auch preiswert ans Ziel kommt. Zum Schluss gibt es außerdem noch einige allgemeine Tipps, wie ihr euer Ticket für den Nachtzug möglichst günstig ergattert.
1. Ungarn: Berlin–Budapest
Möchtet ihr günstig mit dem Nachtzug reisen, müsst ihr gar nicht in die Ferne schweifen. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es neben den ÖBB noch andere Bahnunternehmen, die Nachtzüge anbieten. Darunter ist die ungarische Bahn MÁV, die verschiedene Verbindungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Budapest unterhält. Zwar hat auch die MÁV zuletzt ihre Preise angezogen, im Vergleich zum Nightjet wirken die Steigerungen aber moderat.
Ein besonderer Tipp für 2024 ist der Nachtzug von Berlin nach Budapest, auch bekannt als EuroNight „Metropol“. Seit dem Fahrplanwechsel im letzten Dezember fährt dieser wieder auf seiner klassischen Route über Dresden und Prag. So könnt ihr euch am Abend in den Schlaf wiegen lassen, während vor dem Fenster die bezaubernde Kulisse des Elbtals vorbeizieht. Allein das ist schon ein einmaliges Erlebnis, aber natürlich ist auch Budapest selbst immer eine Reise wert.
Streng genommen handelt es sich beim Nachtzug nach Budapest um keinen eigenständigen Zug, sondern um eine sogenannte Kurswagengruppe. Diese besteht aus je einem Sitz-, Liege- und Schlafwagen der ungarischen Bahn. Die Wagen werden unterwegs mehrmals mit Zugteilen mit anderen Zielen vereinigt und wieder von ihnen getrennt. Wenn ihr einen halbwegs festen Schlaf habt, bekommt ihr davon aber kaum etwas mit.
Das kostet die Fahrt:
Einen Platz im Liegewagen gibt es zumeist um die 60 €, ein Einzelabteil im Schlafwagen kostet ab 179 €. Besonders günstig reist ihr im Sitzwagen, hier starten die Preise bei 29 €.
Weitere Strecken:
Neben dem Nachtzug ab Berlin bietet die MÁV auch Verbindungen von Stuttgart (über München und Wien) und Zürich nach Budapest an. Ungarische Nachtzüge gibt es außerdem nach Warschau, Prag und Bukarest sowie saisonal nach Rijeka und Split in Kroatien.
2. Italien: Mailand–Lecce
Italien verfügt über eines der größten Nachtzugnetze Europas. Mit dem Intercity notte der Trenitalia geht es bequem über Nacht von den Metropolen im Norden in die schönsten Urlaubsregionen Süditaliens. Über den wohl größten Klassiker, den Nachtzug von Mailand nach Sizilien, hat die Zugpost bereits ausführlich berichtet.
Doch auch die anderen Ziele lohnen sich unbedingt. So etwa das bezaubernde Lecce in der Region Salento, dem „Absatz“ des italienischen Stiefels. Gleich zwei Nachtzüge machen sich jeden Abend von Mailand auf den Weg nach Lecce, ein dritter startet in Turin. Diese hohe Kapazität sorgt nicht nur dafür, dass auch Kurzentschlossene noch einen Platz bekommen, sondern auch für einen günstigen Preis.
Bei den Nachtzügen nach Lecce könnt ihr ganz klassisch zwischen Sitz-, Liege- und Schlafwagen wählen. Im Liegewagen gibt es ausschließlich 4er-Abteile, der Schlafwagen verfügt über Abteile für ein bis drei Personen. Ein kleines Frühstück ist im Preis enthalten, Speisewagen gibt es nicht.
Das kostet die Fahrt:
Italiens Nachtzüge haben überaus faire Preise. Auch mit wenig Vorlauf gibt es einen Platz im Liegewagen für etwa 60 €, ein Einzelabteil im Schlafwagen bereits ab 100 €.
Weitere Strecken:
Die Nachtzug-Hubs im Norden von Italien sind Mailand und Turin. Von hier fahren Intercity notte neben Lecce auch nach Siracusa und Palermo auf Sizilien sowie nach Salerno und Reggio Calabria. Weitere Nachtzüge starten in Rom und fahren nach Sizilien, Triest und Bozen.
3. Frankreich: Paris–Nizza
Wenn es um den Nachtzug geht, verfolgt Frankreich ein etwas anderes Konzept als die meisten Länder. Statt auf komfortable Schlafwagen und viel Service setzt die französische Bahn bei ihren Intercités de nuit auf einen eher einfachen Standard mit ausschließlich Sitz- und Liegewagen. Dafür stimmt der Preis: So günstig wie in Frankreich lässt sich in Europa kaum mit dem Nachtzug reisen.
Wie vieles in Frankreich ist auch das Nachtzugnetz komplett auf Paris ausgerichtet. Alle Nachtzüge haben hier ihren Ursprung und führen zu verschiedenen Zielen im Süden. Zu den beliebtesten gehört der Nachtzug nach Nizza, auch bekannt unter dem historischen Namen „Train Bleu“. Der Zug ist zwar nicht mehr blau, schlängelt sich am Morgen aber immer noch wunderschön an der Côte d'Azur entlang. Und das Beste: Aufgrund des etwas älteren Wagenmaterials könnt ihr die Fahrt am Meer mit der Nase im Wind am offenen Fenster erleben.
Im Liegewagen gibt es Abteile der 2. Klasse mit sechs Betten sowie Abteile der 1. Klasse mit vier Betten. Der Komfort ist solide, wenn ihr einen der kürzlich modernisierten Wagen erwischt, sogar vergleichsweise hoch. Gerade die modernisierten 1.-Klasse-Abteile brauchen sich vor manchem Schlafwagen nicht zu verstecken.
Das kostet die Fahrt:
Einen Platz im Liegewagen gibt es ab 29 €. Bei kurzfristiger Buchung sind Preise von etwa 50 € in der 2. Klasse und 100 € in der 1. Klasse realistisch. Die Buchung eines Privatabteils ist begrenzt möglich und kostet ab 150 €. Der Sitzwagen ist kaum günstiger, manchmal sogar teurer als der Liegewagen und daher nur im Notfall zu empfehlen.
Weitere Strecken:
Neben dem Klassiker nach Nizza führen weitere Intercités de nuit in die okzitanische Hauptstadt Toulouse, nach Tarbes und Lourdes im Pyrenäenvorland, nach Hendaye, Latour-de-Carol und Cerbère direkt an der spanischen Grenze, nach Aurillac, Rodez und Albi am Rand des Zentralmassivs sowie nach Briançon in die Alpen.
Tipp: In Latour-de-Carol und Cerbère besteht direkter Anschluss an Regionalzüge in Richtung Barcelona. Damit bietet sich der französische Nachtzug perfekt für eine entspannten Anreise nach Spanien an.
4. England: London–Penzance
Günstig und Großbritannien? In Sachen Nachtzug gilt die Insel eigentlich als Hochpreis-Zone. Für diesen Ruf sorgt vor allem der Caledonian Sleeper, der mit seinen noblen Nachtzügen nach Schottland ein tolles Reiseerlebnis liefert, dafür aber auch ordentlich zur Kasse bittet.
Mindestens ebenso elegant, dafür deutlich günstiger geht es beim Night Riviera Sleeper zu. Der weniger bekannte der britischen Nachtzüge ist zwischen London und Penzance in der Region Cornwall unterwegs. Betrieben wird der Night Riviera von Great Western Railway, kurz GWR. Neben äußerst bequemen Schlafwagen gibt es auch eine stilvolle Bar am Zug. So ist es fast schade, dass die Fahrt in den wunderschönen Südwesten Englands nur um die acht Stunden dauert.
Die Wagen des Night Riviera Sleeper wurden 2018 umfassend renoviert und bieten alle modernen Annehmlichkeiten wie WLAN, USB-Steckdosen und elektronische Keycards. Für Reisende im Schlafwagen ist ein Frühstück inklusive, ebenso Lounge-Zugang und die Möglichkeit, an ausgewählten Bahnhöfen zu duschen.
Das kostet die Fahrt:
Tickets für ein Einzelabteil im Schlafwagen gibt es bereits für £130, umgerechnet 150 €. Der Preis setzt sich zusammen aus der Fahrkarte zum Tarif Super Off-Peak und einem Zuschlag für den Schlafwagen.
Weitere Strecken:
Gibt es nicht. Der Night Riviera ist der einzige Nachtzug von GWR und überhaupt der einzige, der nur innerhalb Englands verkehrt.
5. Finnland: Turku–Rovaniemi
Dass günstig und komfortabel sich nicht ausschließen müssen, beweist Finnland. Die grün-weißen Nachtzüge der finnischen Bahn mit ihren geräumigen und modernen Doppelstock-Schlafwagen sind ganz klar der Preis-Leistungs-Sieger in Europa. Bereits ab 49 € könnt ihr euch auf große Nachtzugfahrt nach Lappland begeben – im privaten Schlafwagenabteil wohlgemerkt, denn das rollende Schlafzimmer mit Fremden teilen muss in Finnland seit Corona niemand mehr.
Zugegeben: Um in Genuss dieser tollen Züge zu kommen, habt ihr eine etwas längere Anreise vor euch. Dafür gibt es mit dem Nachtzug von Turku nach Rovaniemi eine Verbindung, die sich besonders elegant in eine Reisekette aus dem deutschsprachigen Raum einfügt. Der Zug ist nämlich perfekt an die Fähren von und nach Stockholm angebunden und fährt in Turku nur wenige Schritte vom Fährterminal ab. In 14 Stunden bringt er euch gemütlich an den Polarkreis.
Beim Nachtzug ab Turku handelt es sich um eine Kurswagen-Verbindung mit mehreren Schlafwagen sowie Autotransportwagen zur Mitnahme von Pkw und Motorrad nach Lappland. Die Kurswagen fahren zunächst mit dem letzten Intercity des Tages nach Tampere, dort werden sie dann an den Nachtzug Helsinki–Rovaniemi gehängt.
Das kostet die Fahrt:
Die 49 € für eine Fahrt im Schlafwagen sind kein Lockangebot, sondern kommen mit ein paar Monaten Vorlauf in der Praxis tatsächlich vor. Kurzfristiger sind Preise um 100 € realistisch, an besonders stark nachgefragten Tagen kann es bis 229 € gehen. Der Preis bezieht sich stets auf ein gesamtes Schlafwagenabteil, das von ein oder zwei Personen genutzt werden kann. Gegen kleinen Aufpreis gibt es ein Abteil im oberen Stockwerk mit eignem Badezimmer mit Dusche und WC.
Weitere Strecken:
Abgesehen von den Kurswagen ab Turku starten alle finnischen Nachtzüge in Helsinki. Es gibt drei Linen mit den nördlichen Endpunkten Rovaniemi, Kemijärvi und Kolari. Alle Verbindungen führen über Oulu.
Allgemeine Tipps: So kommt ihr günstig ans Nachtzug-Ticket
Bei den oben genannten Nachtzügen war nichts für euch dabei? Kein Problem, hier sind fünf allgemeine Tipps, wie ihr möglichst günstig an ein Ticket für den Nachtzug kommt.
Tipp 1: Früh buchen
Fast alle Nachtzüge in Europa haben mittlerweile ein dynamisches Preissystem. Das heißt, der Preis richtet sich nach der Nachfrage und Auslastung. So gut wie immer steigt der Preis, je näher die Abfahrt rückt. Oder mit anderen Worten: Wer früh bucht, fährt am günstigsten. Nachtzüge lassen sich meist 90 bis 180 Tage im Voraus buchen, manchmal, wie in Großbritannien oder Finnland, sogar noch länger.
Tipp 2: Antizyklisch reisen
Jeder will im Sommer an den Strand. Dabei kann ein Tag am Meer auch im November schön sein. Und eine Reise in die Alpen lohnt sich auch außerhalb der Skisaison. Wer gegen den Strom schwimmt, reist meist günstig. Und das gilt auch für den Nachtzug. Wenn möglich, solltet ihr außerdem die Schulferien meiden. Klar, für Familien mit schulpflichtigen Kids ist das keine Option. Da hilft nur Tipp Nr. 1: Früh buchen.
Tipp 3: Flexibel sein
Könnt ihr eure Reise nicht langfristig planen, solltet ihr flexibel sein. Das gilt zum einen für den Abfahrtstag. Dienstags und mittwochs sind Nachtzüge in der Regel schwächer ausgelastet als am Wochenende, und die Tickets entsprechend günstig. Flexibilität hilft auch bei der Wahl des Reiseziels. Ja, ein Städtetrip nach Paris ist schön, aber wie wärs denn mal mit Bukarest (Nachtzug ab Wien)? Mit kroatischer Adria (Nachtzug ab München) statt Bella Italia? Oder mit Hoher Tatra (Nachtzug ab Prag) statt Alpenpanorama? Für Spontanreisende gilt: Lieber den Urlaub um die Nachtzugfahrt herumbasteln als umgekehrt.
Tipp 4: Um die Ecke denken
Der Nachtzug nach Hamburg ist ausgebucht? Steigt in den Nachtzug nach Berlin und fahrt das letzte Stück im ICE! Der Nachtzug von Zürich nach Zagreb ist bereits sündhaft teuer? Checkt den Nachtzug ab Stuttgart! Akzeptiert ihr eine kleine Zubringer- bzw. Anschlussfahrt über Tag, führen auf einmal viele Wege zum Ziel. Seid kreativ und knobelt verschiedene Routen aus. Das kann nicht nur Spaß machen, sondern auch ein Weg zum günstigen Ticket sein.
Tipp 5: Interrail in Erwägung ziehen
Fast alle Nachtzüge könnt ihr auch mit einem Interrail-Ticket nutzen. Für den Platz im Liege- oder Schlafwagen ist dann noch eine zusätzliche Reservierung nötig. Im Gegensatz zu normalen Tickets haben die Reservierungen oft einen festen, also nicht nachfrageabhängigen Preis. Wer nicht lange im Voraus planen möchte, fährt mit Interrail plus kurzfristig gebuchter Reservierung mitunter günstiger (natürlich nur, solange es noch freie Plätze gibt). Einfach und preisgünstig mit dem Nachtzug fahren, lässt sich so zum Beispiel in Schweden.
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