Als Nachtzug-Fans am Morgen nach dem Fahrplanwechsel Verbindungen mit dem ÖBB Nightjet prüfen, erleben sie eine Überraschung: Buchstäblich über Nacht haben sich die Preise erhöht. Und zwar nicht um ein paar Prozent, wie es zu diesem Zeitpunkt üblich wäre, sondern teils massiv. So soll manche Fahrt im Schlafwagen plötzlich mehrere Hundert Euro mehr kosten. Bald wird klar: Ohne Ankündigung haben die ÖBB ein neues, dynamisches Preissystem eingeführt, das die Ticketpreise beim Nightjet in bisher nicht gekannte Höhen treibt.

Im Netz ist die Aufregung entsprechend groß – und erreicht bald auch die klassischen Medien. Und die ÖBB? Agieren in dieser vielleicht kritischsten Phase seit Einführung der Marke Nightjet, gelinde gesagt, unglücklich. Viel zu lange werden die Preisaufschläge gar nicht kommentiert, dann ausweichend. Bis heute gibt es keine offizielle Mitteilung zu den neuen Preisen. Es ist ein kommunikatives Desaster.

Was hat es mit den neuen Preisen auf sich? Wie teuer wird eine Fahrt mit dem Nachtzug wirklich? In diesem Artikel haben wir zusammengetragen, was über das neue Tarifsystem beim Nightjet bekannt ist.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Dynamisches Preissystem: Alle Preise richten sich künftig nach Nachfrage und Auslastung, es gibt keinen festen Basispreis mehr. Das gilt auch für Reservierungen, etwa zu einem Interrail-Pass. Mit Sparschiene, Sparschiene Komfort und dem Standardticket gibt es zudem drei neue Ticketarten.
  • Maximalpreise steigen: Die maximal möglichen Preis steigen teilweise erheblich. Besonders drastisch ist das beim Schlafwagen, hier sind Aufschläge um das Zwei- bis Dreifache gegenüber den bisher gültigen Höchstpreisen möglich.
  • Alle Linien betroffen: Die neuen Preise gelten auf allen Verbindungen des ÖBB Nightjet, unabhängig vom eingesetzten Wagenmaterial.

Dynamische Preise

Eins gleich vorweg: Die neuen Preise gelten auf allen Linien des ÖBB Nightjet – also nicht nur auf solchen, auf denen die Nightjets der neuen Generation unterwegs sind, die zum Fahrplanwechsel erstmals in den Fahrgasteinsatz gingen. Ebenfalls erhöht haben sich die Preise für einige EuroNights, die andere europäische Bahnen zusammen mit den ÖBB betreiben. Diese sind aber nicht Gegenstand des Artikels.

Schauen wir uns das neue Preissystem einmal genauer an. Die wichtigste strukturelle Neuerung: Alle Preise beim Nightjet sind künftig dynamisch. Das gilt für Standard- und Sparpreise, aber auch für Zuschläge zu einem bestehenden Ticket wie Interrail oder einer BahnCard 100. Ebenfalls wird berichtet, dass diese Aufpreise kontingentiert sind, also nur noch in begrenzter Zahl zur Verfügung stehen.

Im dynamischen Preissystem gibt es keine Festpreise oder festen Preisstufen mehr, sondern ein Kontinuum an möglichen Preisen, das sich zwischen einem Minimalbetrag und einem Maximalbetrag aufspannt. Damit lassen sich keine verlässlichen Preisangaben mehr machen, sondern nur noch Preisspannen (von – bis) angeben. Wie wir später noch sehen werden, sind die Preisspannen ziemlich breit.

Dynamische Preise werden oft zur Auslastungssteuerung verwendet, zum Beispiel in der Luftfahrt oder im Hotelgewerbe. Durch Schnäppchen-Angebote lässt sich so für eine Belegung auch in Zeiten schwächerer Nachfrage sorgen. Es ist jedoch fraglich, inwieweit ein solcher Anreiz-Effekt beim Nightjet relevant ist. Nachtzüge boomen seit Jahren, nicht zuletzt durch den medialen Hype, der um sie entstanden ist. Eine Auswertung von Buchungsdaten aus dem Sommer 2022 zeigt, dass viele Linien des ÖBB Nightjet über Wochen praktisch ausgebucht sind.

Ein weiterer Aspekt des dynamischen Preissystems ist die Ertragsoptimierung, auch als Revenue Management bekannt. Die Idee ist, ein knappes Gut – hier Plätze im Nachtzug – nicht beliebig zu vergeben, sondern an Kunden mit der größtmöglichen Zahlungsbereitschaft.

Ein Beispiel: Der Nightjet nach Rom ließe sich über die Osterfeiertage sicher zwei- oder dreimal ausverkaufen. Da es keine Festpreise mehr gibt, können die ÖBB die Ticketpreise nun besonders hoch ansetzen und so den Ertrag pro Zug maximieren. Aufgrund der hohen Nachfrage werden sich immer Personen finden, die bereit sind, diese Preise zu zahlen. Weniger zahlungskräftige Kunden haben dagegen das Nachsehen.

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Die grundlegende Idee des Revenue Managements ist es, dem Kunden das richtige Produkt zum richtigen Preis und zur richtigen Zeit zu verkaufen. Ein wichtiges Instrument dazu sind sogenannte Buchungskurven. Es handelt sich um Zeitreihen, die anzeigen, wie viele Einheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb des Buchungsfensters verkauft sind.

Aktuelle Forschung zeigt, dass Buchungskurven einem universellen Exponentialgesetz folgen, also die Nachfrage immer schneller steigt, je näher das Ende des Buchungsfensters rückt. Aus Sicht der Ertragsoptimierung ist es daher sinnvoll, Einheiten auch noch kurzfristig, dann aber zu einem hohen Preis anbieten zu können.

Neue Ticketarten

Die zweite Neuerung: Für den Nightjet gibt es nun drei Ticketarten, die sich hinsichtlich ihrer Flexibilität unterscheiden: Sparschiene, Sparschiene Komfort und Standardticket. Diese ersetzen das bisherige System mit dem stornierbaren Komfortticket zum Festpreis sowie der nicht erstattungsfähigen Sparschiene mit verschiedenen Preisstufen. Alle Tickets gibt es wie gewohnt bis zu 180 Tage im Voraus.

Sparschiene (Non-Flex)

Bezüglich der Flexibilität entspricht die neue Sparschiene dem alten Angebot: Die Tickets sind nicht stornierbar. Neu ist dagegen, dass die Sparschiene nicht mehr kontingentiert zu festen Preisstufen angeboten wird (Beispiel: Das erste Kontingent für eine Fahrt im Liegewagen gab es für 49,90 €, das nächste für 59,90 € und so weiter), sondern der Preis vollständig dynamisch ist. Damit ist theoretisch jeder Betrag innerhalb der unten angegebenen Preisspannen möglich.

Sparschiene Komfort (Semi-Flex)

Die Sparschiene Komfort hat die gleiche Flexibilität wie das alte Komfortticket: Bis 15 Tage vor dem ersten Gültigkeitstag können die Tickets kostenlos erstattet werden, danach ist eine Gebühr in Höhe von 50 % des Fahrpreises fällig. Im Unterschied zum bisherigen Komfortticket ist der Preis allerdings dynamisch. In der Regel ist er höher als bei der nicht flexiblen Sparschiene, auch wenn bereits das Gegenteil beobachtet wurde.

Standardticket (Flex)

Mit dem Standardticket bieten die ÖBB neu ein völlig flexibles Ticket für den Nightjet an. Ein Standardticket lässt sich bis 1 Tag vor dem ersten Gültigkeitstag kostenlos erstatten. In punkto Flexibilität ist das eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Angebot. Dies hat allerdings seinen Preis: Das Standardticket ist klar das teuerste der drei Ticketarten. Und auch hier sind die Preise vollständig dynamisch.

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Neben den drei oben genannten Ticketarten, die die Beförderung plus die Unterbringung in der jeweiligen Komfortkategorie (Sitz-, Liege- oder Schlafwagen) enthalten, können Personen, die bereits eine Fahrkarte besitzen, etwa einen Interrail-Pass, eine reine Reservierung erwerben. Ohne diese Reservierung ist die Nutzung eines Nightjets nicht möglich. Mehr zum Thema findet ihr am Ende des Artikels.

Preisspannen: Diese Preise beim Nightjet sind künftig möglich

Aufgrund des vollständig dynamischen Preissystems ist es nicht mehr möglich, verlässliche Preisangaben für den Nightjet zu machen. Der Betrag, der tatsächlich aufgerufen wird, wenn ihr eure Reisedaten in die Reiseauskunft eingebt, wird in Echtzeit von einem Algorithmus festgelegt.

Wie der Algorithmus genau funktioniert, ist geheim. Das muss so sein im dynamischen Preissystem, da Auslastungssteuerung und Ertragsoptimierung nicht mehr funktionieren, wenn der Kunde die Preisentwicklung vorhersagen könnte.

Bekannt dagegen sind die minimal und maximal möglichen Preise für die einzelnen Ticketarten – wenn man so will, der Parameterraum, in dem der Algorithmus arbeitet. Aber auch das nur über einen Umweg: Abgesehen von Österreich ist Deutschland das einzige Land, in dem sich der Nightjet auch im Binnenverkehr nutzen lässt, etwa von Hamburg nach München oder von Freiburg nach Berlin. Als ausländischer Beförderer müssen die ÖBB in diesem Fall ihre Tarife veröffentlichen.

Die Zugpost hat diese Daten ausgewertet. Offiziell gelten die im Folgenden genannten Preise nur für Fahrten innerhalb Deutschlands. Nach ersten Stichproben sieht es aber so aus, als kämen dieselben Tarife auch im internationalen Verkehr zur Anwendung, zumindest zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Betrachtet die Angaben bitte dennoch unter Vorbehalt und nur als grobe Richtlinie.

In der nachfolgenden Grafik seht ihr die Preisspannen für die drei Ticketarten Sparschiene, Sparschiene Komfort und Standardticket in den unterschiedlichen Komfortkategorien.

ÖBB Nightjet: Neue Preise ab Dezember 2023 – Fahrpreis Erwachsene, ohne Ermäßigung

Auf den ersten Blick wird klar, dass das neue Preissystem stark spreizt. Je nach Komfortkategorie und Ticketart sind Preise zwischen 35 und 900 € möglich. Für eine einfache Zugfahrt, wohlgemerkt. Auffällig ist zudem, dass die Preisspannen von Sparschiene und Sparschiene Komfort in der Regel breiter sind. Die beiden Sparscheine-Tarife sind also etwas dynamischer als das Standardticket.

Die günstigste Art, mit dem Nightjet zu fahren, bleibt der Sitzwagen. Tickets für einen Sitzplatz gibt es im Tarif Sparscheine ab 35 €. Als Standardticket kann der Preis dagegen bis auf 140 € steigen. Für eine Mini Cabin, die innovativen Schlafkapseln im Nightjet der neuen Generation, erstrecken sich die möglichen Preise von 55 €, der günstigste Sparschiene, bis zu 225 €, dem teuersten Standardticket.

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Schlafwagen-Abteile mit Dusche/WC, ehemals bekannt als „Deluxe“, werden von den ÖBB neu als „plus“ bezeichnet. Aktuell treten beide Bezeichnungen noch parallel auf. Weiterhin tragen Schlafwagen-Abteile in den Nightjet-Zügen der neuen Generation noch den Zusatz „comfort“. Dies ist allerdings eine reine Marketing-Bezeichnung und im Tarifsystem nicht berücksichtigt.

Besonders stark differenziert sind die Preise für eine Fahrt im Schlafwagen. Je nach Abteil- und Ticketart variieren diese um mehrere Hundert Euro. Das Extrembeispiel ist ein Einzelabteil mit Dusche/WC, hier sind Preise von 260 bis 900 € möglich. Letzteres entspricht einer Steigerung um das Dreifache gegenüber dem bisher gültigen Maximalpreis.

Nachfolgend findet ihr die Preisspannen für alle Komfortkategorien und Ticketarten noch einmal in Textform.

Sitzwagen

Sparschiene:
34,90 – 74,90 €

Sparschiene Komfort:
54,90 – 114,90 €

Standard:
89,90 – 139,90 €

Fahrten innerhalb Deutschlands, international kann abweichen.

Liegewagen

Platz in Abteil mit 6 Liegen

Sparschiene:
49,90 – 119,90 €

Sparschiene Komfort:
84,90 – 164,90 €

Standard:
134,90 € – 194,90 €

Platz in Abteil mit 4 Liegen

Sparschiene:
54,90 – 139,90 €

Sparschiene Komfort:
94,90 – 189,90 €

Standard:
154,90 – 224,90 €

Fahrten innerhalb Deutschlands, international kann abweichen.

Mini Cabin

Sparschiene:
54,90 – 139,90 €

Sparschiene Komfort:
94,90 – 189,90 €

Standard:
154,90 – 224,90 €

Fahrten innerhalb Deutschlands, international kann abweichen.

Schlafwagen

Platz in Abteil für 3 Personen (Triple)

Sparschiene:
79,90 – 179,90 €

Sparschiene Komfort:
129,90 – 239,90 €

Standard:
204,90 – 279,90 €

Platz in Abteil für 2 Personen (Double)

Sparschiene:
99,90 – 224,90 €

Sparschiene Komfort:
164,90 – 299,90 €

Standard:
259,90 – 349,90 €

Abteil für 1 Person (Single)

Sparschiene:
199,90 – 449,90 €

Sparschiene Komfort:
329,90 – 599,99 €

Standard:
514,90 – 699,90 €

Fahrten innerhalb Deutschlands, international kann abweichen.

Schlafwagen plus

Platz in Abteil für 3 Personen mit Dusche/WC (Triple plus)

Sparschiene:
104,90 – 229,90 €

Sparschiene Komfort:
169,90 – 309,90 €

Standard:
264,90 – 359,90 €

Platz in Abteil für 2 Personen mit Dusche/WC (Double plus)

Sparschiene:
129,90 – 289,90 €

Sparschiene Komfort:
209,90 – 384,90 €

Standard:
329,90 – 449,90 €

Abteil für 1 Person mit Dusche/WC (Single plus)

Sparschiene:
259,90 – 579,90 €

Sparschiene Komfort:
424,90 – 774,90 €

Standard:
664,90 – 899,90 €

Fahrten innerhalb Deutschlands, international kann abweichen.

Veränderung gegenüber den alten Preisen

Als Nächstes schauen wir uns an, wie sich die Preise gegenüber den alten, bis Dezember 2023 gültigen Tarifen verändert haben. Wie groß sind die Steigerungen wirklich? Ist die laute Kritik berechtigt?

Zunächst einige Worte zur Vergleichbarkeit. Die neue Sparschiene lässt sich gut mit dem bisherigen Tarif vergleichen, da sich an den Bedingungen nichts geändert hat. Etwas schwieriger gestaltet es sich mit dem alten Komfortticket. Bezüglich der Flexibilität entspricht es der neuen Sparschiene Komfort (kostenlos stornierbar bis 15 Tage vor Abfahrt, danach gegen Gebühr). Jedoch hatte das Komfortticket ein Killer-Feature, das der Sparschiene Komfort fehlt: Einen verlässlichen, immer gleichen Preis, egal ob ihr es 180 Tage oder eine Stunde vor der Abfahrt gekauft habt.

Allerdings wäre es auch nicht fair, das Komfortticket mit dem neuen Standardticket zu vergleichen. Das Standardticket ist ein neues Angebot mit bisher nicht gekannter Flexibilität. Daher haben wir uns entschieden, das Standardticket von dieser Betrachtung auszunehmen und nur Sparschiene alt und Sparschiene neu miteinander zu vergleichen sowie das alte Komfortticket mit der Sparscheine Komfort. Ja, es ist kompliziert …

Die Veränderung der Minimal- und Maximalpreise in Euro seht ihr in der folgenden Grafik. Positive Beträge bedeuten, der Preis ist gestiegen, negative Beträge, er ist gesunken. Beachtet, dass der Preis des alten Komforttickets konstant war, also Minimal- und Maximalbetrag hier identisch sind. Mini Cabins sind nicht Teil der Auswertung, da sie im alten Preissystem nicht enthalten waren.

ÖBB Nightjet: Neue Preise ab Dezember 2023 – Veränderung gegenüber bisherigen Preisen

Bei der Sparschiene sind die Startpreise leicht gesunken, je nach Komfortkategorie um 5 bis 15 €. Davon ausgenommen sind Einzelabteile im Schlafwagen: Hier steigt der niedrigste Preis um 40 € für ein Standard-Abteil und 70 € für ein Plus-Abteil. Mutmaßlich hat das damit zu tun, dass die neuen Nightjet-Garnituren, von denen nach und nach immer mehr in den Betrieb gehen, anteilig nur sehr wenige Schlafwagen-Abteile aufweisen. Ein geringes Angebot führt in der Regel zu einem hohen Preis.

Die maximal möglichen Preise für ein Sparschiene-Ticket steigen dagegen fast durchweg. Beim Schlafwagen verschiebt sich die obere Preisgrenze um 20 bis 330 € nach oben. Stabil bleibt lediglich der Höchstpreis für einen Platz im 6er-Liegewagenabteil, für einen Sitzplatz sinkt er sogar um 25 €.

Beim Tarif Sparschiene Komfort ist das Bild gemischt. Der Einstiegspreis ist tatsächlich in den meisten Komfortkategorien niedriger als der Festpreis des alten Komforttickets. Ausnahme sind wieder Einzelabteile im Schlafwagen. Ein semi-flexibles Ticket für den Nightjet lässt sich damit zumindest theoretisch in vielen Kategorien etwas günstiger erwerben als zuvor.

Dafür sind die Preissteigerungen am anderen Ende der Skala massiv und ziehen sich durch alle Komfortkategorien. Wer auf ein semi-flexibles Ticket angewiesen ist, muss im Schlafwagenbereich im schlechtesten Fall zwischen 62 und 503 € mehr bezahlen als bisher.

Noch einmal: Wir betrachten hier nicht das neue Standardticket. Würde man es einbeziehen, wären die Preisaufschläge noch größer.

Preisbeispiele: Das kostet die Fahrt im Nightjet in der Praxis

Nachdem wir nun durchexerziert haben, welche Preise möglich sind, wollen wir uns endlich der Frage widmen, was eine Fahrt im Nightjet denn nun tatsächlich in der Praxis kostet. Da statistische Daten fehlen, sind wir in den Tagen nach dem Fahrplanwechsel zunächst auf anekdotische Beispiele angewiesen. Nutzer Kamikatze berichtet auf Mastodon über eine Fahrt von Hannover nach Jenbach in Österreich:

Mitte Oktober habe ich für das Single Plus Schlafwagenabteil im neuen Nightjet saftige 242,40 € gezahlt. Teuer, aber man kann sich ja auch mal was gönnen. Aber das neue ÖBB Dynamic Pricing ist ja wohl aus der Hölle. Das gleiche Abteil im selben Zug kostet jetzt 774,90 €!

Das entspricht dem oben angegebenen Höchstpreis im Tarif Sparschiene Komfort und bestätigt, dass die genannten Preisspannen auch im internationalen Verkehr zur Anwendung kommen.

Von ähnlichen Dimensionen berichtet Jonas Franz auf Twitter:

Selbst 3 Monate im Voraus kostet ein Single Schlafwagen im nicht gerade stark ausgelasteten NJ vom Hamburg nach Kufstein flockige 600 € mit BC 100 ohne BC 100 lockere 750 €. Also so eine Preiserhöhung ist eine Unverschämtheit.

Etwas später präsentiert Timo Grossenbacher von der Plattform night-ride.ch, die Preise von Nachtzug-Verbindungen auswertet, eine erste statistische Analyse. Darin wird klar: Die oben angegebenen Preisspannen sind nicht nur theoretischer Natur, sondern kommen tatsächlich vollständig zur Anwendung. Besonders hoch sind die aufgerufenen Preise für den Schlafwagen, hier kommt es im Schnitt zu Preiserhöhungen von bis zu 184 % gegenüber den bisherigen Tarifen:

Es zeigt sich: In den Schlafwagen winken happige Aufschläge, bei den Deluxe-Einzelabteilen beispielsweise gibt es fast eine Verdreifachung. Auch die günstigste Kategorie des Economy-Dreiers erhöht sich im Schnitt noch um rund 15 Prozent.

Weniger ausgeprägt sind die Preisänderungen dagegen am anderen Ende der Komfortskala. Plätze im Sitzwagen (-25 %) sowie in einem 6er-Abteil im Liegewagen (-16 %) lassen sich nach Timos Auswertung im Schnitt sogar etwas günstiger erwerben als zuvor.

Inzwischen können die ÖBB die immer lauter werdende Kritik nicht mehr ignorieren und schreiben in einer Antwort auf Twitter:

Wir haben das Preissystem im Nachtverkehr adaptiert, wodurch es eine breitere Spanne an Preisen gibt. So können wir besser auf die Nachfrage reagieren. An wenig gebuchten Tagen gibt es ein höheres Kontingent in niedrigen Preisstufen. Gut gebuchte Tage werden teurer.

Mit anderen Worten: Ja, das neue Preissystem ist real. Es ist bis heute die einzige offizielle Kommunikation der ÖBB, die das bestätigt. Wie sich die Preise künftig in der Praxis entwickeln, sprich in welche Richtung der Algorithmus ausschlägt, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Mit den neuen, deutlich verbreiterten Preisspannen räumen sich die ÖBB die Möglichkeit ein, Plätze im Nachtzug zu Preisen zu verkaufen, die für viele nicht mehr bezahlbar sind. Wie oft sie davon Gebrauch machen? Wir wissen es nicht.

Für einige Reisende hat das neue Preissystem indes schon jetzt reale Konsequenzen. Martin Blum schreibt auf Twitter, dass ihm ein Kostenträger eine Dienstreise mit dem Nachtzug nicht mehr ersetzen wird. Stattdessen wird er aufs Flugzeug verwiesen:

Es ist passiert, was ich befürchtete! Konferenz-Organisator (Uni) will mir den Nightjet nicht mehr zahlen, weil zu teuer, und empfiehlt Flug. Vor der Erhöhung kostete die Fahrt Wien-Milano im Jänner hin-&retour 320 €, jetzt 540 €.

Reservierungen für Interrail

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die fälligen Reservierungen, wenn ihr den Nightjet mit einem bereits bestehenden Ticket wie Interrail nutzen möchtet. Bislang war der Aufpreis fest und richtete sich allein nach der Komfortkategorie (Sitz-, Liege- oder Schlafwagen). Damit entsprach die Reservierung praktisch einem Komfortticket zum reduzierten Preis.

Im neuen Tarifsystem sind auch die Preise für Reservierungen dynamisch. Bezüglich Flexibilität entsprechen sie dem Tarif Sparschiene Komfort. Das heißt, die Reservierung ist bis 15 Tage vor dem ersten Gültigkeitstag erstattbar, danach gegen eine Gebühr in Höhe von 50 % des Fahrpreises.

In der nachfolgenden Grafik seht ihr die Preisspannen im Vergleich zu den bisherigen Festpreisen. Die Preise gelten neben Interrail auch für Reservierungen zur BahnCard 100. Zu anderen Netzkarten, wie dem Klimaticket in Österreich, liegen uns keine Informationen vor.

ÖBB Nightjet: Neue Preise ab Dezember 2023 – Aufpreis zu Interrail & BahnCard 100

Während Hoffnung besteht, zumindest die Reservierung im Sitz- und Liegewagen zu einem ähnlichen Preis wie zuvor zu ergattern, sind die Preisaufschläge beim Schlafwagen erheblich. Besonders deutlich ist das bei den Einzel- und Plus-Abteilen, hier liegt selbst der neue Minimalpreis erheblich oberhalb des bisherigen Festpreises. Wer mit Interrail in einem Standard-Einzelabteil reisen möchte, zahlt zwischen 60 und 245 € mehr, für ein Plus-Abteil sind es 170 bis 485 €.

Fazit zum neuen Preissystem beim Nightjet

Die ÖBB haben ein neues, komplett dynamisches Preissystem für ihre Nightjets eingeführt. Die Kosten für eine Nachtzugfahrt sind nun nicht mehr vorhersagbar, die Maximalpreise steigen teils erheblich. Besonders deutlich sind die Preiserhöhungen beim Schlafwagen, den die ÖBB damit klar ins Luxussegment befördern.

Es ist das gute Recht der ÖBB, diese unternehmerischen Entscheidungen so zu treffen. Als Zugreise-Community bleibt uns nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Und nach Alternativen Ausschau zu halten: Eine Fahrt über Tag plus anschließende Hotelübernachtung dürfte künftig in vielen Fällen die deutlich günstigere Option sein.

Ist der Nachtzug deswegen tot?

Noch lange nicht, denn Nightjet ist nicht gleich Nachtzug. Überall in Europa gibt es auch weiterhin fantastische Nachtzüge, die ein tolles Reiseerlebnis mit fairen Preisen verbinden. Die Zugpost wird ihre Berichterstattung künftig stärker auf diese Nachtzüge ausrichten.

Günstig mit dem Nachtzug fahren: Die besten Strecken und Tipps
Günstig im Nachtzug durch Europa? Hier ist das noch möglich! Fünf preiswerte Nachtzüge und die besten Tipps zum Sparen beim Ticketkauf.

Für eine Sache sind die ÖBB allerdings scharf zu kritisieren: Die Kommunikation oder besser gesagt das Ausbleiben dieser. Hier wurde viel Porzellan zerschlagen und dem Ruf des Nachtzugs nachhaltig geschadet. Es dürfte dauern, das Vertrauen zurückzugewinnen.


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